Freitag, 11. Mai 2012

Weltsprache des Lachens

Dieser Park ist auch gleichzeitig Spielplatz und Jahrmarkt. Ein bisschen trauriger Jahrmarkt. Viele Stände ähneln sich und die meisten sind verlassen. Wir schlendern pflichtschuldig durch die Gassen. An einem großen Stand mit Ringewerfen sind wir schon fast vorbei, als Willi fragt: „Oder möchtest du mal Ringe werfen?“. So wie er es höflich immerzu fragt: „Oder möchtest Du...?“

Ich zögere kurz dann sag ich „ja“. Ich liebe Ringewerfen. Auf dem Hamburger Dom versuche ich es eigentlich jedes Mal. Gewonnen habe ich noch nie etwas. Der Weg ist das Ziel. Obwohl "einmal Treffen" auch mal ein schönes Ziel wäre.

20 Ringe für einen Euro. Ich zahle. Ich muss Willi überreden, mitzumachen. Er zögert, aber wir teilen. Jeder zehn. Ich werfe den ersten und treffe nicht. Natürlich nicht. Er geht weit vorbei. Ich muss mich konzentrieren. Wie ich es immer versuche. Tief durchatmen, tief in sich gehen. Jaja, ich weiß es ist nur ein Ringewerfen. Aber im Kleinen fängt es an.

Ich bin nun ganz in mir und...

Vorbei. Weit vorbei. Willi lacht sich schlapp. Ich bin empört. Schiebe ihn an die Wurflinie. Er will es besser machen ohne zu gucken. Hält sich die Augen zu. Aber ich glaube er schummelt. Ich sage ihm das. Gestenreich. Er trifft nicht einmal das Wurfreal. Der Ring fliegt aus der Bude. Er hat wohl doch nicht geschummelt. Oder sich nicht richtig konzentriert.

Ich machs ihm mal vor. Stelle mich rückwärts zur Wurflinie. Da ich selbst sehend und konzentriert noch nie getroffen habe, ist das Risiko begrenzt, Als ich meine Augen öffne, blicke ich auf viele Gesichter. Nach und nach haben wir Zuschauer bekommen, die die Langnase und den verrückten Einheimischen beim Ringewerfen sehen wollen. Ich gebe ihnen die Schuld. Sie sind ein schlechtes Publikum, Sie müssen mehr anfeuern. Ich zeige ihnen was ich brauche: Rhythmisches Klatschen. Sie machen es mir nach. Der Stand ist nun ein Stadion. Was mehr Leute anlockt. Ich treffe trotzdem nicht. Und ärgere mich. Wie ich mich halt ärgere. Die Leute lachen sich schlapp. Über mich. Vielleicht verliere ich beim Ärgern über verworfene Ringe mein Gesicht? Mir egal. Sollen sie. Dürfen sie. Ich freue mich.

Dann sind die Ringe aus. Kein Gewinn. Ich bin enttäuscht. Das Publikum auch. Die Budenbesitzerin auch. Ihr Arm hält uns nun 50 Ringe entgegen. Für einen Euro. Wir sollen doch bitte weitermachen. Ein gutes Geschäft. Für sie. Wir treffen ja sowieso nicht. Denkste.

Nun mache ich ernst. Versuche verschiedene Wurfarten. Drehe die Ringe an. Willi versucht lieber heimlich über die Balustrade zu steigen und seinen Ring sauber über einem der Preise abzulegen.

Sie merkt es. Wir treffen nicht. Darum geht es auch schon längst nicht mehr. Wir scherzen, albern, lachen. Die Menschen feuern an, grinsen, grölen. Fordern immer neue Ringe für uns. Wir geben welche ab. Fordern besonders mutige Zaungäste auf, es doch besser zu machen. Wir treffen nicht. Sie treffen nicht. Nach einer Stunde sind es hunderte Ringe, die über die Linie gingen. Schon längst zahlen wir nicht mehr dafür.

Ich kündige lautstark die letzten drei, die alles entscheidenden Ringe an. Es geht schließlich um die inoffizielle Ringwerf-Weltmeisterschaft in Xian. Ob die Menschen die Plakate nicht gesehen hätten? Willi übersetzt breit grinsend. Das Publikum glaubt kein Wort. Kein Wunder. So schlecht wie wir werfen.

Jetzt will ich es wirklich wissen. Die drei finalen Würfe.

Drei
zwei
eins

KEINS!

Vorbei. Gescheitert. Ich bin nicht Weltmeister. Willi aber auch nicht. Wir lassen den Kopf hängen. Bedanken uns bei unseren Anhängern. Laufen in ihre Kurve. Bedanken uns bei der Ausrichterin.

Fair geht eben vor.

Dann gehen wir weiter. Der Stand leert sich.
Da war sie wieder: Die Weltsprache des Lachens.

Wir haben uns allesamt bestens unterhalten.



Der Beginn von allem. Ich zeige meine Technik.

Willi hat geschummelt...

Denn mit Werfen trifft er auch nicht

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