Freitag, 30. März 2012

Geburtstagswüsche

Trotz eingeblendeten Datum ist es bei mir schon der 31.März 2012 - Das ist wohl das Glück eines Weltreisenden. Der Geburtstag kann weit mehr als 24 Stunden rund um die Welt gefeiert werden.

Aber er ist für mich schon etwas sehr Besonderes so weit weg von Zuhause und alleine sein Wiegenfest zu begehen. Wieder eine ganz neue Erfahrung. Vor zehn Jahren durfte ich noch den Hamburger Rathausmarkt fegen und nun muss man wohl einsehen, dass man irgendwie in der Mitte des Lebens angekommen ist. Gefällt mir!

Zur Feier des Tages die letzte Strophe des Liedes "Happy Birthday to me" von Reinhard Mey, der mich mit seinen Liedern nicht nur diese Reise begleitet, sondern eigentlich schon mein Leben lang.
Er schrieb es, als er etwa in meinem Alter war.

Happy Birthday to me

Heute brennt auf meinem Kuchen wieder eine Kerze mehr.
Käme aus dem Anlass die berühmte gütige Fee daher
und sagte: "Du hast drei Wünsche frei!".
wär' mir die Antwort klar:
Erstens eine zweite Halbzeit,
genau wie die erste war,
zweitens würd' ich gern'
die doppelte Zahl Kerzen brennen seh'n,
drittens soll das Haus
voll alter Freunde aus den Fugen geh'n
und voll Kinderlärm erbeben,
zwei Enkel auf jedem Knie,
und Dich als Großmutter daneben,
happy birthday to me!

Mittwoch, 28. März 2012

Badetag!

Die schönsten Strände von Paraty liegen auf den vorgelagerten Inseln. Mit einem Schoner kreuzt man übers Meer und steuert einen Tag lang all diese Perlen an. Sonne satt, glasklares Wasser, Palmen, Strand. Welch ein genussvoller Strandtag. Kein spektakulärer Eintrag, aber ein spektakulärer Tag.

Fotos (zum großen Teil von einem Fotografen erstanden, der uns an dem Tag begleitete - leider habe ich seinen Namen nicht mehr, um ihn hier zu veröffentlichen)


sie flüchten


Paraty










Mein Haus, mein Auto, meine Yacht

Was für ein Tag!



Dienstag, 27. März 2012

Obrigado Paraty - Brasil amado!

Paraty hatte Musik
Und dann war alles anders. Ich reiste 16 Stunden mit dem Bus quer von Ouro Preto bis an die Küste zwischen Rio und Sao Paulo. Nach Paraty.
Es war mitten in der Nacht als ich meine Pousada fand. Und plötzlich war alles gut. Freundlich lachte man mir entgegen. Man hatte mein Zimmer doppelt belegt und vielleicht könnte ich in einem Mini-Zimmer übernachten. Dafür würde ich am nächsten Tag das Schönste bekommen. Es gab viele Entschuldigungen und Freundlichkeit und Obst und all das was ich bisher so vermisst hatte. Natürlich würde ich in dem kleinen Zimmer übernachten. Es machte mir gar nichts aus. Und am nächsten Tag  bekam ich das schönste Zimmer der Reise. Mit Hängematte auf dem Balkon.

Im Laufe der Tage genoss ich diese Stadt am Meer, deren Architektur noch fast vollständig aus dem 17 Jahrhundert erhalten blieb. Jeden Tag überschwemmt die Flut die Kopfsteinpflastergassen und sorgt für eine ständig frisch geputzte Fußgängerzone.Aber noch viel mehr genoss ich jetzt und hier Brasilien. Und all das was ich bislang nicht gesehen, gefühlt oder verstanden hatte: Umarmungen, Leichtigkeit, Straßenmusik, Sonne, Wasser, atemberaubende Strände und dazu die besten Fruchtsäfte meines Lebens. In den kleinen Lokalen im historischen Viertel wurden darüber hinaus hervorragende Fischgerichte serviert.

und Lebensart
Aber das alleine war es nicht: Aus jedem Problem wurde im Handstreich ein Nichts gezaubert. Waren alle Plätze einer Ausflugstour besetzt, wurden Telefonate geführt, dann hatte man einen gefunden. Sprachprobleme in der Wäscherei? (Ich hatt ja noch immer nicht gewaschen - siehe letzten Blogeintrag) Das brauchte ich in meiner Hosteria nur kurz pantomimisch andeuten, dann war es am Telefon geklärt. Und selbst, wenn es mal keine Lösung gab, war alles versucht worden und morgen war schließlich auch noch ein Tag. So gehts in Brasilien. So einfach war es in Paraty.

Und es gab mir den Glauben an den Genuss des Reisens zurück, den ich mir in Selbstzweifeln schon fast geraubt hatte. Ich fand meinen Frieden mit Brasilien und den Brasilianern also in die dieser kleinen, wunderschönen Stadt, die mich mit Lebensfreude ansteckte. Ich traf Menschen, die mich sahen und dabei war es plötzlich ganz egal, ob ich ihre Sprache sprach. Fünf Tage genoss ich die brasilianische Lebensart in Paraty mit jedem Tag schien sich mein Herz weiter zu öffnen.

Bis es plötzlich sperrangelweit offen stand, für dieses Land und für diese Menschen.

Und alles war gut!

Obrigado Paraty - Brasil amado!


Bei Flut überflutet - ansonsten wunderschön



Naturgewalt



So lässt sich leben

Die bunte Stadt am Meer

Montag, 26. März 2012

Brasilien hat mich nicht lieb!

So warm Brasilien auch ist. Ich werde mit Brasilien irgendwie nicht warm. Nein, es ist nicht die Tatsache, dass mich niemand versteht, dass es mit dem Mietwagen wieder nicht geklappt hat oder dass die Steaks sämtlichst zu „durch“ gebraten sind.
Es sind diese vielen kleinen Momente in denen die Hotelrezeptionistin einen zu einer Wäscherei schickt, die es nicht mehr gibt und einen Tag später darauf aufmerksam gemacht, nur mit den Schultern zuckt– so ist es eben.
Oder, wenn man freundlich fragt, ob man eine halbe Stunde länger bis 12.30 Uhr im Zimmer bleiben könne, weil der Bus doch erst um 13.30 Uhr fahre und dann trotz freundlichem Nicken auf der Rechnung einen zusätzlichen halben Tag findet- Dies sei doch abgesprochen.
Oder wenn man so lange ein Zimmer mit Blick gegen die Felswand bekommt obgleich doch alle anderen frei sind, bis man 20 Dollar „rüberschiebt“, um doch noch den guten Ausblick über die Stadt genießen zu können.

Das erwärmt eben nicht.

All das kenne ich von meiner Reise bislang auch nicht. Ich sage ja immer, dass die beste Sprache das Lächeln ist und überall lächelte man im übertragenen Sinne zurück. Man half wie man konnte und ich versuchte ein guter Gast zu sein - wie ich es konnte.

Brasilien ist anders. Noch.

Vielleicht muss ich erst wieder in den Reisealltag "reinkommen", vielleicht bin ich es oder meine Art, vielleicht die brasilianische Lebensart – vielleicht alles zusammen.

Die Barockstädte sind wundervoll und Ouro Preto, das ich mir drei Tage als Heimat aussuchte jede Reise wert. Unzählige zauberhafte Kirchen geben dieser kleinen Stadt zwischen den Hügeln einen atemberaubenden Charakter.

Aber auch Ouro Preto nervt. Jetzt gerade. Ich suchte den Busbahnhof. Die Rezeptionistin (vielleicht hat sie auch schlicht einen schlechten Erdkundelehrer) hat das Kreuz in der Karte falsch gemacht. Obwohl? Das Kreuz mag richtig sein, aber die Stelle wo es auf der Karte zu finden ist, ist definitiv falsch.
Also versuchte ich zu fragen. Da natürlich niemand mich verstand, sagte ich schlicht nach vielen gescheiterten Versuchen „Eu rodoviaria“ (ich Busbahnhof). Kopfschütteln. Also zeigte ich mein chinesisches Zeichenbuch. Und zeigte auf Busse. Ganz viele Busse (also tippte ich viele Male auf verschiedene Busse) Jetzt verstand man. Und hielt für mich einen Bus an. Das war nett. Nach einem kurzen Gespräch der „Helferin“ mit der Busfahrerin durfte ich einsteigen. Alles war klar. Dachte ich.
Ich hätte es besser wissen müssen.
Eben bin ich zur Bezahlfrau gegangen und habe nochmal lieber gefragt. Diese Fahrtrichtung stimmt nämlich ganz und gar nicht mit irgendeiner Vorstellung von Busbahnhof überein. Wir verlassen Ouro Preto nämlich gerade über die Hügel der anderen Seite. Ich frage ganz langsam „rodoviaria?“. Sie schüttelt heftig den Kopf. Ich bin genervt. So richtig genervt. Über was verdammt haben die beiden sich denn auf portugiesisch unterhalten? Wie man mich am besten verarscht?
Aber sie lächelt und zeigt mir, dass ich bei der nächsten Station aussteien könnte und dann zurück der richtige Bus käme. Endlich mal ein Lächeln. Wenigstens das.
Ich steige aus. Hitze. Kein Baum. Über eine Stunde kaspere ich mit dem Weg zum Busbahnhof rum. Ich will doch nur kurz ein Ticket dort kaufen. Kein Bus in die andere Richtung kommt.
Dann doch. Ich dreh durch. Es ist der gleiche Bus von eben. Nur in die andere Richtung.
Ich steige ein. Die Ticketverkäuferin lächelt mir zu und ich finde, dass hätte sie mir auch mal sagen können, dass ich statt in der Sonne zu stehen, einfach hätte sitzen bleiben können.
Ich setze mich hin. Wenigstens geht’s jetzt in die richtige Richtung. Aber der Bus fährt nicht. Er fährt nämlich erst los, wenn alle bezahlt haben.
Ich habe nicht bezahlt. Sagt meine neue Freundin. Ich zeige ihr mein Ticket. Und sie zeigt mir, dass dies in die falsche Richtung führt und ich nun neu zahlen muss.
Ich schau sie entgeistert an. Ich komme doch aus diesem Bus in den sie mich erst gelockt und dann rausgeschickt hat. 
Sie lächelt immer noch. Ich diskutiere. Aber mit wem?
Der Bus fährt nicht los. Ich zahle. Aber nicht einfach so. Ich werf ihr den Schein aufs Bezahlbrett - so wütend ich kann. Und ich lege in den Wurf gleich meine gesamte Brasilienkritik nonverbal mit rein: So geht man nicht mit Gästen um! Genau das sagt mein Wurf. Und jeder muss es jetzt kapieren, so wütend bin ich.

Sie lächelt.

Und ich schmolle den Rest der Strecke lautlos auf meinem Sitz.

Mir wird klar: Brasilien hat mich nicht lieb.

Und ich es dafür auch nicht! Bätsch!


P.S. zurück im Hotel gebe ich der Rezeptionistin die Karte ihrer Stadt zurück. Ich hab das Kreuz an der richtigen Stelle gemacht. Sie zuckt mit den Schultern - so ist es eben.


Blick über Ouro Preto



Eine Reihe wirklich sehenswerter Kirchen ziert die vielen Hügel der Stadt



Blick aus meinem "er-koruptierten-Zimmer"


Nette Restaurants. Hauptgericht: Fleisch! Immer ganz durch.

Sonntag, 25. März 2012

Nein, ich spreche immer noch kein Portugiesisch!

Ich bin kein Fremdsprachengott. Eigentlich spreche ich alles nur Bröckchenweise. Und davon eigentlich nur Englisch. Doch ich kam durch die Länder. Durch Afrika, durch Dubai, durch Kanada und die USA sowieso und auch durch Peru und Ecuador. Wir konnten uns verständigen. Immer war da jemand, der ebenso ein bisschen Englisch sprach oder ich half mir mit ein paar Sätzen Spanisch durch die Not. Brasilien ist anders. Brasilien spricht Portugiesisch. Nur! Kein Hotel, keine Toruisteninfo, kein Mensch spricht etwas anderes als portugiesisch.
Was insgesamt gar nicht schlimm wäre, denn schon anderorts habe ich durch Zeichensprache oder kurzem Nachschlagen im Wörterbuch mich zum Ziel gerettet. Das eigentlich Schwierige ist, dass die Brasilianer nicht verstehen, dass man nicht portugiesisch spricht.
Und haben Sie eine Zeichnung, irgendeinen Wörterbuchsatz verstanden oder gedeutet. Dann antworten sie. In einem nie aufhörenden Schwall Portugiesisch. Und das Spiel beginnt von vorne. Arme Heben, Kopf schüttel, wild gestikulieren: „Haaaalllo ich spreche kein Portugiesisch!“ - „Ah sie sprechen kein Portugiesisch?“

So nutze ich meinen Zeichendolmetscher, den ich für meine Fahrt durch China mitgenommen habe nun tagtäglich in Brasilien. Dennoch schützt er nicht vor lustigen Situationen.
Ich erreiche spät abends das Hotel, das ich übers Internet gebucht habe. Ich begrüße freundlich den Herrn hinter dem Tresen und lege meinen Ausweis vor. Der Rezeptionist schaut den Ausweis an und spricht auf Portugiesisch. Ich verstehe irgendwas mit „Raum“. Ich schließe die Augen, lege die Hände an mein Gesicht und zeige ihm, dass ich schlafen möchte, ein Bett brauche. (Das ist doch wohl die anerkannte weltweite Pantomime für "schlafen")
Ich hebe einen Finger – für eine Nacht und sage: Internet! (dabei deute ich mit dem Zeigefinger die schwere Pantomime an: „ich habe gestern gebucht!“)

Er fragt mich ob ich Portugiesisch spreche. Ich verneine.Er fragt mich etwas auf Portugiesisch, was in meinen Ohren so klingt wie: „Haben Sie reserviert!“ Ich antworte“ Internet!“


Er schreibt auf einen Zettel den Wlan-Code des Hauses. Ich lächle und versuche mich noch einmal an der schweren Pantomime „ich habe gestern per Internet gebucht!“.

Dann male ich ihm ein Bild. Malen kann ich allerdings noch schlechter als Portugiesisch.

Er fragt mich ob ich Portugiesisch spreche. Ich verneine. Er hat eine Idee. Er ruft eine Freundin an und reicht mir den Hörer auf Portugiesisch. Ich verstehe „Sie spricht Englisch!“

Frau am Telefon (Aussagen geschätzt): Wie kann ich Ihnen helfen

Ich: Ich habe gestern ein Zimmer im Internet gebucht und möchte nun in dem Hotel schlafen.

Frau: Was haben sie kaputt gemacht?

Ich: ich habe nichts kaputt gemacht.

Frau: Aber die sagten, doch dass sie das Internet kaputt gemacht haben.

Ich: Nein, nicht broken – ich meine booking. booking.com

Frau. Wie kann ich helfen?

Ich: Äh, ich möchte in das Hotel.

Frau: Wie kann ich helfen?

Rezeptionist steht daneben, hält den Daumen nach oben im Sinne von „Siehste jetzt geht alles glatt!“

Ich: äh Danke.

Frau: Sorry ich bin nicht ganz bei mir. Karneval.

Jetzt merke ich erst, die Frau ist sturzbetrunken.

Ich reiche dem Rezeptionisten den Hörer, er lächelt und sagt Danke in den Hörer.

Ich frage mich, was dieses Aktion gebracht haben soll. Denn selbst wenn die Frau verstanden hätte, was ich wollte, hatte sie es ihm gar nicht mitteilen können

Wir stehen also am Anfang.

Ich hole mein Netbook aus der Tasche und öffne die Booking.com-Seite mit der Reservierung.

Jetzt hat er verstanden: ich will ins Internet! Er schreibt mir den Wlan-Code noch einmal säuberlicher auf.

Ich schüttel den Kopf. Er hat eine Idee. Ich deute sie so:

Er zeigt mir erstmal mein Zimmer, dann können wir uns um mein Internetproblem später weiter kümmern.

Ich lache. Eine gute Idee. Zumal ich ja gar kein Internetproblem habe. Also schweige ich zu diesem Thema, als ich in meinem Zimmer stehe und mache lieber ein neues Fass auf: Ich würde gerne etwas essen, ich suche ein Restaurant. Ich mache die typische „Hunger“-Pantomime. Er versteht. Ich will mir ne Pizza bestellen. Seinen Gesten nach zu deuten, kennt er gute Pizzadienste. Ich habe keine Kraft mehr und nicke. Er zieht mich zurück zur Rezeption und ruft den Pizzadienst an. Dann reicht er mir den Hörer. Am anderen Ende spricht im besten Englisch Brasiliens die Bedienung. Ich bestelle eine Pizza Hawai mit Ananas und Schinken. Welche Größe? Medium! Was kostet die? 25 BAE. Danke! Danke! 45 Minuten!

Wortlos lege ich den Hörer auf - man hat mich wirklich verstanden Ich bin glücklich. Der Rezeptionist ist glücklich. Am liebsten würden wir uns jetzt umarmen. Irgendwie geht es eben es eben doch immer. Wenn Menschen nur wollen!
Eineinhalb Stunden später bringt man mir meine große Pizza Salami für 37,50 BAE auf mein Zimmer.

Deutlicher gehts doch wohl nicht:
Björn (dicker Bauch, dicke Nase) hat am 20 Februar gebucht
 für den 21.Februar auf booking.com

Ich, der Rucksacktourist

So fühlt sich das also an. Ich schultere meinen Rucksack und ziehe los. Mein Ziel: Der ZOB oder wie es hier heißt: Rodoviaria. Und von dort? Irgendwohin!
Es gibt eine schöne Auswahl von Barockstädten zwischen Rio und Belo Horizonte (da dachte ich ja, ich müsste dort fünf Tage später mein Auto abholen).
Ich verabschiede mich an der Rezeption, die meinem Weg auf die Straße nicht die gleiche spektakuläre Aufmerksamkeit schenkt, wie ich sie mir gewünscht hätte. Ich gehe einige Schritte und es ist ziemlich heiß heute in Rio. Über 30 Grad bestimmt.
Der Rucksack auf dem Rücken ist kein Problem, obgleich er bestimmt rund 30 Kilo wiegt. Aber vor mir trage ich meinen Rucksack mit „dem Rest“. Der ist auch schwer und zudem trage ich dort – schön gesammelt, sämtliche Wertgegenstände durch die Seitenstraßen Rios, die ich sonst im Laufschritt durchquerte. Netbook, Pässe, Geldreserven, Kreditakarten, Fotoapparat.

Eines ist klar: Wer mich so abfängt, hat ausgedient.

 Ich erreiche unbeschadet die erste Hauptstraße. Hier soll irgendwo der Bus zum Rodoviaria fahren. Von hinten sehe ich noch einen Bus, vermutlich meiner. Ich stelle mich an die Straße, denn Bushaltestellen gibt’s hier nicht. Ich schnalle ab und während ich abschnalle, rauscht ein Bus vorbei. Ich hatte mich geirrt. Der von Hinten, war nicht meiner – dieser war meiner.
Ich werde dieses System nie verstehen. Wenn in einer Touristenstadt ein ganz offensichtlich nach Tourist aussehender Mensch an einer Bushaltestelle oder etwas danach aussehenden steht, mit Gepäck – mit viel Gepäck. Dann kann ich doch einfach mal anhalten. Was sollte der Mensch dort an dieser Stelle wohl sonst wollen?

In Finnland sind uns am Flughafen Helsinki mal drei Busse im Abstand von jeweils 20 Minuten weggefahren. Immer wenn wir unser Gepäck ergriffen, als er kam, gab er Gas. Bis wir kapierten, dass wir ein Handzeichen machen mussten, verging also ne Stunde. Auch eine schöne Begrüßung in einem fremden Land.

Ich kann mich also nicht beschweren, ich kenne das Spiel und so sitze ich genüsslich am Straßenrand. Beäugt von vielerlei Menschen. Die Sonne brennt gnadenlos und ich schwitze. Bald könnte doch mal einer kommen. Da kommt einer. Nee, das ist ein Reisebus. Verdammt. 40 Minuten sind vergangen und Rucksacktourist macht mir schon jetzt keinen Spaß mehr. Von weitem sehe ich einen. Langsam biegt er in meine Straße ein. Ich schultere mein Gepäck. Jaaa, es ist meiner. Ich winke. Er kommt näher und fährt vorbei. Ich bin sprachlos. „Wie ein Ertrinkender“ muss man den Bussen winken, hatte mir vor zwei Tagen ein Schwede im Hotel erklärt. Verpasst. Ich bin ertrunken.

Und genervt. Der Schweiß fließt in Strömen.Ich stelle mir vor, er hätte gehalten. Knapp einen Dollar hätte es nur gekostet in 40 Minuten beim Busbahnhof zu sein. Mein Gepäck hätte ich mal wieder durch die Fahrgastmassen über die Absperrung im Bus hieven müssen. Halb quer hätte ich dann zwischen meinen Rucksäcken stehen können.

Ich winke. Ein Taxi hält. Es kostet rund Fünf Dollar und braucht zehn Minuten. Ich komme gerade rechtzeitig um den klimatisierten Bus nach Petropolis zu erreichen. Der nächste wäre drei Stunden später gefahren. Vier Dollar Mehrausgabe für drei Stunden. Eine gute Investition. Eine echte Weltreise geht nur als sparsamer Rucksacktourist?

Ich war 67 Minuten Rucksacktourist.





Bilder aus der sehenserten  Barockstadt Petropolis


An manchen Ecken denkt man, man sei in Wien!

http://de.wikipedia.org/wiki/Petr%C3%B3polis




Samstag, 24. März 2012

Es ist wie es ist...

Morgen nun will ich Rio den Rücken kehren. Dem Karneval entfliehen. Ich habe tapfer alles miterlebt, doch nun freue ich mich auf meinen Mietwagen und eine Tour durch die Gegend. Da öffne ich diese Mail. „Mein Wagen wurde nicht bestätigt!“. „Wie, nicht bestätigt?“ Seit fünf Tagen habe ich doch schon die Mail im Kasten. Ich suche sie und lese genau: Buchungsanfragen-Bestätigung. "Anfragen-Bestätigung - nicht Buchungs-Bestätigung" erklärt man mir am Telefon. Es soll der achte Mietwagen meiner Reise werden. Probleme bislang? Keine. Noch nie wurde. Eine eine Anfrage nicht bestätigt. Ich telefoniere mit der Hotline. „In Rio ist Karneval!“ „Und das weiß man erst seit heute?“ „Wir kriegen keinen Kontakt zu einem Büro!“ „Und warum erfahre ich es erst jetzt?“ „Weil wir standardmäßig bis zu 24 Stunden vorher noch alles versuchen. Nun kriegen wir aber keinen Kontakt!“ - „Ein anderer Anbieter?“ „So kurzfristig? Keine Chance!“
Ich stehe also da. In Rio am Rosenmontag. Morgen will ich raus aus Rio. Muss ich raus aus Rio. Ein Hotelzimmer gibt es sowieso nicht mehr. Was habe ich? Einen unendlich schweren großen Rucksack, einen kleinen Tourenrucksack. Was habe ich nicht? Ein Auto und ein Hotelzimmer.

Insgesamt gute Voraussetzungen. Ich buche ein Auto für Aschermittwoch in Sao Paulo und weil ich gleich zwei Stunden später eine Absage bekomme (Meine Beschwerde scheint gespeichert zu sein) versuche ich es gleich nochmal für Freitag in Belo Horizonte mit Einwegmiete nach Sao Paulo. Diese Anfrage wird mir sofort bestätigt und noch mehr die Buchung wird ebenfalls bestätigt und ich halte mein Voucher in den Händen.

Fünf Tage werde ich nun also so ein richtiger Rucksacktourist sein.

Das finde ich cool!

(Nicht ganz so cool fand ich allerdings, dass vier Tage später ein Nachklapp zur Bestätigungsmail kam: die Einwegmiete von Belo Horizonte nach Sao Paulo würde 700 Euro kosten. Die Freunde von Billiger-Mietwagen.de ließen sich bei neuerlicher telefonischer Anfrage auch nicht von meiner Argumentation überzeugen, dass man für 700 Euro derart Mietwagen (Punto) ja fast schon selbst gebraucht kaufen könne. Da das Ganze 24 Stunden vor Anmietung herauskam, stand ich letztendlich ganz ohne Wagen da. Ich konnte zwar stornieren, aber eine andere Buchung war abermals ausgeschlossen. Bis zum Ende gelang es mir nicht, einen Mietwagen in Brasilien zu buchen)

Ich blieb brasilianischer Rucksacktourist

Der Beginn vieler Tage als "Rucksacktourist"

Der brasilianische Weg - Was für eine Nacht!

Ich habe online ein Tickte für die größte Karnevalsparade der Welt bestellt. Nun bin ich aber nicht mehr sicher, ob ich dabei nicht übers Ohr gehauen wurde. Niemand reagiert auf meine Mail und sagt mir, wie ich denn nun an das Ticket komme. Das Geld ist jedenfalls schon abgebucht.
Also suche ich selbständig die Adresse aus meiner Buchungsmail und fahre einfach hin. Ist nicht weit weg von meinem Hotel. Wenn es dort die Tickets gibt, wird man die Stelle sicher schon an der langen Schlange sehen.
Noch drei Tage sind es bis zur Parade und online habe ich gefunden, dass man ab heute die Karten abholen kann. Die Straße ist leer. Also menschenleer. Müll liegt in großen Bergen. Das ist aber nichts Besonderes.
Die Adresse ist ein Eingang. In ein Haus. Kein Geschäft. Ich zögere. Stehe davor und gucke noch einmal auf meine Adressnotiz. Da geht eine Tür auf. Zwei Asiaten kommen raus. Beide tragen riesige Karnevalshüte. Ich gehe rein. Drinnen Musik und es sieht ein bisschen so aus, als wäre alles schon gelaufen. Im Büro niemand.
Ein Mädchen kommt auf mich zu. Ich zeige ihr meinen Mailausdruck. Sie verschwindet, dann kommt ein Mann. Er führt mich mehrere Stockwerke hoch. Kostüme hängen auf Kleiderständern und Mitarbeiter feiern mit Girlanden um den Hals. Kunden?– keine! Ich bezweifle, dass ich richtig bin. Ich komme in einen Raum. Sechs Mitarbeiter unterhalten sich. Im Hintergrund Pappkartons mit hunderten, nein mit tausenden Briefumschlägen nach Nummern sortiert.
Heute ist Donnerstag – am Sonntagabend findet der Umzug statt. Niemals werden die Tickets ihre Besitzer finden. Wie soll das gehen? Verschicken geht nicht. Alle kommen hierher zum Abholen? Außer mir ist niemand da. Keine Chance. Das Sambodrom wird leer bleiben.
Ich bekomme mein Ticket, mache ein Foto von den Jungs. Der Rest ist mir auch egal. Achnee Stopp! Ich habe doch auch noch ein Shuttle-Ticket gebucht – ich verdamme mich dafür. Hätte ich doch ein Taxi genommen. Der Mann fragt mich nach meinem Hotel. Hat aber keine Ahnung wo das sein soll. Er notiert es sich. Und meinen Namen. Sonntag 20 Uhr. Auf einen Schmierzettelschnipsel – nein, auf die Rückseite eines Schmierzettelschnipsels. 
Sonntag 20 Uhr? Da habe ich notfalls immer noch genügend Zeit ein Taxi zu bestellen. Zum Abschluss schenkt man mir ein Karneval-T-Shirt. Sind ja auch noch genug da.

Es ist Sonntag 20 Uhr. Ich stehe vor meinem Hotel. Ein Shuttlebus fährt vor. Ich steige ein. Mein Name steht auf einer Liste. Innerhalb von 40 Minuten fahren wir an hunderttausend Menschen vorbei, umkurven alle Schranken und bekommen Einlass direkt auf den abgezäunten Parkplatz des Sambodroms. Eine Dame nimmt uns dort in Empfang und führt uns vorbei an langen Schlangen direkt ins Stadion. Sie zeigt uns unsere Sektoren und verspricht uns, dass sie die ganze Nacht an dieser Stelle stehen wird und uns in einen Rück-Shuttle setzen wird. Wann immer wir wollen.
Ich bekomme seit knapp einer Stunde meinen Mund nicht mehr zu. Ich bin schlichtweg sprachlos und stehe völlig baff im Sambodrom. 
Keine Sekunde zweifle ich an ihren Worten. Sie wird dort stehen. 
Das Sambodrom ist fast voll. Am Ende komplett gefüllt. Auf unerklärliche Weise fügen sich Zahnrad in Zahnrad, Puzzleteil in Puzzle. Alles auf brasilianische Art. Aber es passt – bestens. Es ist Karneval in Rio. Wie konnte ich an irgendetwas zweifeln. 35 000 Menschen werden durch das Sambodrom laufen. Morgen nocheinmal genauso viele. Vor jeweils 90 000 Zuschauern.

Ich finde einen Platz und erlebe die spektakulärste Show meines Lebens.

Rund 45 Minuten hat jede Sambagruppe für ihren Durchmarsch Zeit, danach kommt das Fege-Kommando und 30 Minuten später, startet die nächste. Sieben Gruppen stehen heute am Start. Schon die erste überwältigt mich. Dann die nächste. Später wird keine den Titel holen. Die Sieger laufen am nächsten Abend. Ich hätte alle aufs Podest gestellt - alle 35 000. Diese Nacht ist unfassbar und wird ein Leben lang in meinem Kopf bleiben.

Bilder bilden leider nur ab und sagen nicht, gar nichts über diese Stunden aus, die mich

berauschen, verzaubern, verzücken, beflügeln, beschallen, beglücken, erhitzen, becircen, überwältigen, rühren, beseelen und verändern
Mir bleibt nichts anders übrig als, wie alle anderen, der 90 000 Menschen, zu

klatschen, staunen, pfeiffen, tanzen, lachen, raunen, freuen, jubeln, weinen, singen, umarmen, zeigen, feiern und fotografieren

Nach Fünfeinhalb Gruppen kann ich nicht mehr. Es ist 7 Uhr und in meinen Kopf geht nichts mehr rein. Kein Tanzschritt, keine Samba-Note, kein Kostümdetail, kein einziger Eindruck mehr.
Ich wanke zu der Dame, die tatsächlich an der gleichen Stelle steht, mir einen Shuttlebus organisiert und 40 Minuten später bin ich in meinem Hotel.

Was für eine Nacht!

Die meisten Bilder kennt ihr schon (Ich konnte sie damals nicht vorenthalten) und dennoch gibt es hier einige einfach nochmal (eine größere Auswahl findet ihr in meinem Blogeintrag vom Februar http://bisbaldbarmbek.blogspot.com/2012/02/karneval-in-rio.html

Wer den Karnvel 2013 im Sambodrom erleben möchte und eine perfekte Organisation wünscht. Ich buchte meine Karten hier: http://www.rio-carnival.net/


Tiefe brasilianische Entspannung zweieinhalb Tage vor Beginn der riesen Show

Die Ticktes türmen sich in Kartons





Ich hab heut das Glück gesehen