Sie
sprechen meine Sprache nicht. Aber ich bald ihre. Jedenfalls einen
Teil davon. Den der ausreicht um ihr Kartenspiel zu spielen. Einen
Tag brauche ich um überhaupt dabei stehen zu dürfen ohne kritisch
beäugt zu werden. Anfangs drehte man seine Karte schnell weg, wenn
ich in der Nähe war.
Misstrauisch.
Wer lässt sich schon gerne in die Karten schauen? Jahrelange
Erfahrung auf der Straße. Ich würde meine Karten auch niemand
Unbekanntes zeigen wollen.
Doch
dann habe ich ihr Vertrauen erobert. Durch Ausharren. Aber auch indem
ich mit ihnen lachte und anerkennend den Daumen hob, wenn ich einen
besonderen Spielwitz verstanden hatte. Wenn jemand mit dem letzten
Stich Glück oder Pech hatte. Das gefiel ihnen. Wer auch immer diese
Langnase war. Sie hatte Durchhaltevermögen.
Am
zweiten Tag glaubte ich die Regeln zu verstehen. Vermutlich wusste
ich mehr, als sie ahnten. Aber ich hielt mich zurück und genoss.
Viele Partien beobachtete ich sie. Vielleicht waren sie es mehr als ihr
Spiel, was mich faszinierte. Denn das Spiel ähnelte unserem Karrierepoker. Ich konnte einfach
nicht ablassen. Sie zu sehen. Diese glücklichen, gedankenverlorenen
Menschen zu betrachten.
Am
dritten Tag war wieder alles ganz anders. Und ich zweifelte an mir
selbst, bis ich feststellte, dass sie heute schlicht ein anderes
Spiel spielten. Da ging ich lieber weiter durch die Stadt und fand
die Menschen spielend. Jung und alt. Mahjong und Schach und Karten.
Einfach so. Auch mein Kartenspiel fand ich wieder. Aber ohne die
Alten war es nicht das Gleiche.
Am
vierten Tag spielten sie wieder das bekannte Spiel. Vielleicht auch für
mich. So wünschte ich es mir insgeheim. Vielleicht hatten sie sogar
bemerkt, dass ich nicht bei ihnen stand? Nun konnte ich fast jeden
Wurf nachvollziehen. Und manches Mal nickte man mir freundlich zu.
Und als einer ausstieg, weil seine Frau rief, pochte mein Herz laut.
Einen kurzen Moment trafen sich unsere Blicke. Aber es war noch nicht
soweit. Ich war noch nicht soweit. Was sind schon vier Tage gegen ein ganzes Leben? Ein anderer
stieg ein.
Am
fünften Tag wäre es vielleicht soweit gewesen. Ich hätte diese
abgespielten Karten in der Hand halten können. Für eine Runde mit
diesen weisen alten Menschen spielen können. Auf ihren Kisten sitzen
und dazu gehören. Nur eine Runde, dann hätte ich meinen Platz
demutsvoll geräumt. Was für ein Erlebnis.
Am fünften Tag fuhr mein Zug von Pingyao nach Xian. Am frühen Morgen. So ist es eben: Es müssen immer ein paar Träume bleiben. Für diesen bleibt mir noch mein ganzes Leben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen