Nur
eines war klar. Ich wollte den berühmten Steinwald sehen, der rund
100 Kilometer vor den Toren Kunmings lag. Ich konnte nicht
einschätzen wie schnell ich dorthin kommen, wie lange ich dableiben
und ob ich danach schon in Richtung Jinghong fahren oder doch in
Kunming bleiben würde.
Fragen über Fragen. Der Tag gab Antworten.
Kunming, die Stadt des ewigen Frühlings, liegt so weit südlich, dass eigentlich immer Sonne sein müsste. Da es aber zeitgleich 2000 Meter über den Meer liegt, ist die Temperatur dort immer angenehm frühlingshaft.
Besonders um 6.30 Uhr morgens mir vollem Marschgepäck. Eine Sache an die man sich als Chinatourist schnell gewöhnt ist die Feststellung, dass man sich auf den Weg macht, eine chinesische Kleinstadt zu besuchen, um dort vielleicht ein bis zwei zwei Sehenswürdigkeiten anzuschauen und vor Ort mit einer Metropole konfrontiert wird, die immer einige Millionen Einwohner aufweist.
So auch Kunming. Bummelige fünf Millionen Einwohner. Es war absolut kein Kleinstadtfeeling hier vor dem Bahnhof. Eher Frankfurt oder besser: dreimal Frankfurt. Da Bahnhöfe und Busbahnhöfe in China meistens weit entfernt liegen und Busbahnhöfe sogar meist weit außerhalb der Stadt war mein nächstes Etappenziel klar: Der Busbahnhof.
Aber
wie es sich für eine Mehrmillionenstadt gehört, hatte Kunming derer
Drei. Ich zog also meine Chinesische Übersetzung für Steinwald aus
der Tasche und lief mit diesen Buchstaben durch die Gegend. Schon
nach wenigen Minuten saß ich in einem Bus. Wie ich feststellte: Der
Flughafenbus. Es gibt immer diese Momente, wo man sich nicht mehr so
richtig sicher ist, ob die Gesprächspartner auch wirklich alles so
gedeutet haben, wie man es auszudrücken versucht hatte. Dies war so
ein Moment.
Ich hoffte inständigst, dass die freundlichen Menschen am Bahnhof nicht wirklich dachten, ich wolle zum Steinwald fliegen.
Aber wie so
oft hatte ich die Auffassungsgabe der Chinesen unterschätzt. Wie
sich rausstellte war dieser Airportbus mit Abstand die schnellste
Verbindung zum Süd-Busterminal. Und
auch von dort ging alles ganz schnell.Dank eines freundlichen
Busbahnhofbeamten, der mich sofort „an die Hand“ nahm und durch
die Absperrungen brachte, so dass ich wenige Sekunden vor Abfahrt den
Überlandbus erklimmen konnte.
Und da war ich: Im Steinwald.
Die
Gesteinsformastion kennt man. Von den Externsteinen im Teutoburger
Wald zum Beispiel. Aber dies hier war eben kein „Baum“, wenn man
im Wortbild bleiben möchte. Dieses war ein Wald. Ein Urwald voller
Steine, die die Urwaldriesen bildeten. Nur ein Bruchteil des gesamten
riesigen Areals für Touristen erschlossen und dennoch genug für
einen umfangreichen Tagesausflug.
Ich kletterte über Vorsprünge, zwängte mich durch enge Steingassen, bestaunte verborgene Seen und immer wieder starrte ich zu den kalten Steinriesen empor, die mir in der Hitze des Tages wunderbaren Schatten spendeten.
Herrliche Ausblicke über die Steinfelder von Shilin bis zum Horizont und noch weiter. Dankbare Fotomotive, wenn sich bunten Blumenpracht mit dem grauen Fels paarte.
Und
es kam was kommen musste. Beim Kauf einer Sprite gab es kleine
Probleme, weil die Verkäuferin nicht sofort verstand welche Flasche
ich aus dem Kühlschrank erwerben wollte. Eine
Verständigungsschwierigkeit, die sich in wenigen Sekunden geklärt
hätte. Doch in genau diese Sekunden stieß Simon. Meine nächste
chinesische Bekanntschaft. Er half aus, konnte ein bisschen Englisch
und hatte mich schon im Bus nach Shilin beobachtet. Wir blieben den
ganzen Tag beisammen.
Und
als wir abends zusammen zurück nach Kunimg fuhren war er mein nächster
chinesischer Schutzengel geworden. Ich hatte noch immer kein Hotel
aber er einen echten Plan für mich. Er
hatte nämlich ein gutes preiswertes in Hauptbahnhof-Nähe gefunden
und dort wäre sicherlich auch noch ein Zimmer für mich frei.
War dann aber nicht. Nun fühlte sich Simon komplett in der Verantwortung, suchte Hotel für Hotel mit mir ab, machte Preisverhandlungen und kehrte auch so manchem Haus den Rücken wenn er nicht zufrieden damit war bzw. er nicht zufreden für mich damit war.
Dann
fanden wir, also eigentlich natürlich eher er, ein schönes Hotel,
dem er einen chinesischen-Einheimischen-Übernachtungspreis für mich
abrang. Zur Feier des Tages gingen wir dann gemeinsam essen. Und nun
am Ende des spannenden Tages, den ich völlig ungeplant auf mich
zukommen lassen hatte, blieb zu resümieren: Eine komplikationslose
Nachtzugfahrt, eine schnelle Airportbusfahrt, eine reibungslose
Überlandbusfahrt, eine grandiose Steinwaldbesichtigung, ein
schicksalshafter Spritekauf, eine wunderbare neue Bekanntschaft, eine
erfolgreiche Hotelsuche und ein leckeres gemeinsames Abendessen.
China hat Schutzenegel. Und zwar überall und jederzeit im Einsatz.
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