Mittwoch, 9. Mai 2012

immer pünktlich...

Heute geht es früh raus. "8 Uhr Start", sagte der Rezeptionist. Nachdrücklich. Er kennt mich nicht. Natürlich werde ich pünktlich sein. Vermutlich einige Minuten zu früh. Wie immer. Auf Flughäfen, bei Treffpunkten oder im Alltag. Natürlich gibt es Ausnahmen. Manchmal nutzt man jede Minute, steht im Stau oder eine Bahn fällt aus. Aber selbst dann schaffe ich es meistens noch pünktlich zu sein. Weil ich in der Regel viel zu früh losgehe. Kehrseite der Medaille: Ich habe viele Stunden meines Lebens mit Warten verbracht. Mir die Beine in den Bauch gestanden oder auf Partys alleine manch Raum gefüllt, bis die anderen kamen. „Die Anderen“ sind allerdings meist immer die gleichen. Die, die immer mit wehenden Fahnen 20 Minuten zu spät sind und sich flugs entschuldigen. Dann ist alles wieder gut. Ganz gleich wie viele Menschen unnützt herumgestanden haben. Viele Male habe ich mir gewünscht, selbst mal so cool später zu erscheinen. Aber es nützt nichts. Entweder ich bin zu früh oder ich habe ein sauschlechtes Gewissen. Es ist eben wie es ist.

Für die Tour heute habe ich meinen Wecker auf 6.30 Uhr gestellt. Dann bleiben mir eineinhalb Stunden bis zum Start. Mehr als genug.

Um 6 Uhr klingelt das Telefon. Weckdienst. Ich verstehe das chinesisches Englisch auf der anderen Seite des Hörers nicht richtig. Aber er meint es ernst. Gut so. Also pelle ich mich schon jetzt aus dem Bett. Kurzer Blick auf die Mails. Dann erst einmal ins Bad. Dusche an. Ich liebe es genug Zeit zu haben. Mein Wecker klingelt mittlerweile. 6.30 Uhr. Hätte auch dicke gereicht, denn ich bin schon bald abreisefertig. Überflüssiger Weckruf. Das Telefon klingelt wieder:

„Nun warten wir schon 30 Minuten, wenn sie in fünf Minuten nicht unten sind, fahren wir ohne Sie...“ aufgelegt. Das war nicht der Rezeptionist, denn das Englisch war klar und deutlich.

Ich schlucke und renne sofort in die Lobby. Dann weiß ich es. Es war der Guide unserer heutigen Tour, der dort steht. „Äh, war nicht 8 Uhr Start?“ - Der Rezeptionist schaut verstohlen weg, der Guide schüttelt vehement den Kopf: „Zwischen 5.30 Uhr und 6 Uhr – startklar!“

Nun wird mir die Situation erst bewusst: Höflich hatte man nach dem ersten Anruf bei mir auf mich gewartet. Über 30 Minuten lang. Während ich genüsslich duschte...

Dafür ist der Guide wirklich außerordentlich freundlich zu mir. Er weiß ja, aber auch nicht welch Dinge ich in der letzten halben Stunde gemacht habe.

Die Stimmung im Tourbus ist dafür eher angespannt. Er ist voll. 30 Leute. Nur ein Platz noch frei. 60 Augen starren mich an. "Wie dreist!" denken sie. Ich möchte im Erdboden versinken. Winde mich durch die Reihen zu meinem Sitz. Gibts irgendwo ein Mikro? Ich möchte eine Erklärung abgeben. Gibts nicht. Ich frag allerdings nicht einmal danach. Trau mich nicht. Wie unangenehm. Dann sagt der Guide, dass wir „nun ja endlich“ vollzählig sind. Nochmal töten mich Blicke. So fühlt sich also „richtiges“ Zuspätkommen an.

Ich schließe die Augen und stelle mich schlafend. Vielleicht auch sterbend. Tot. Was bleibt mir auch sonst? Als wir ankommen, ist der Ärger verraucht. Man spricht sogar wieder mit mir: „Wie war die halbe Stunde länger schlafen?“

Nächstes Mal warte ich lieber wieder auf die anderen.



Als wir am Ziel ankommen, spricht man sogar wieder mit mir:
„Wie war die halbe Stunde länger schlafen?“

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen