Donnerstag, 18. August 2011

Im Dorfe der San oder "Last chance to see"


In dem Film „Die Götter müssen verrückt sein“ wird eine Colaflasche aus einem Flugzeug geworfen und landet direkt vor den Füßen des San-Häuptlings Xixa. Diese Flasche verursacht nur Streit, weil es das einzige „Ding“ im San-Dorf ist, das es nur einmal gibt und Xixa beschließt es den Göttern zurück zu bringen. Dieser Film wurde 1980 gedreht und ist leider etwas zur platten Komödie verkommen. Dennoch gewann San-Schauspieler N!xau mit diesem Film (und den beiden Fortsetzungen) Weltruhm. Am Ende seiner Karriere ging er unglücklich und an Tuberkulose erkrankt in sein altes San Dorf am Rande von Tsumkwe, wo er endlich wieder zuhause war. Er lebte dort wieder in seinem alten Stamm und ging auf Jagd wie es alle San machen – mit Pfeil und Bogen. Auf solch einer Jagd verstarb er 2003.
Nun machten wir uns auf die San zu besuchen und steuerten auf Tsumkwe am Rande der namibischen/ botswanischen Grenze zu, wo die meisten heute noch existierenden San-Stämme leben.
Die San sind ein afrikanisches Urvolk (vielleicht sogar das Urvolk der Menschheit überhaupt), das bis heute in alten Stammestraditionen lebt (wo es denn überhaupt noch geht). Als Jäger und Sammler steht ihnen die moderne Welt wie eine Wand entgegen und oft wurden sie von Farmer vertrieben und konnten ihre Lebensform nicht weiter verfolgen. Es gibt Projekte in denen den San Jagdland zur Verfügung gestellt wird. San legen bei ihrer Jagd bis zu 4000 Kilometer jährlich zurück. Sie sind demokratisch organisiert und wählen kein Oberhaupt. Jagdentscheidungen werden gemeinsam gefällt und nach Wissen, Erfahrung und Überzeugungskraft entschieden. Auch ein Rechtssystem gibt es nicht. Es gibt keine Strafen.

Wie bei allen Urvölkern ist der Alkoholismus ein riesiges Problem. San arbeiten heute als Hilfsarbeiter auf Farmen oder werden durch Projekte dazu angeleitet selbst Farmer zu werden. Das ist schwierig, denn die jahrtausende alte Tradition der San ist das Jagen.

In Tsumkwe hat ein San Stamm damit begonnen sein leben den wenigen Touristen zu zeigen.

Für dieses Erlebnis folgten wir einem kleinen Wegweiser 15 Kilometer in den „Busch“ und waren dann plötzlich in einem San-Dorf. Die Stunden in dem San Dorf waren rührend, aufrüttelnd, voller Herzenswärme, unvergesslich und letztendlich tieftraurig, dass diese Menschen mit ihrer Kultur in unserer modernen Welt offenbar keinen Platz finden.

Im Dorfe der San

Wir rollen mit unserem schweren Toyoto Hilux durch den tiefen Sand und plötzlich und unscheinbar ist da ein kleines Dorf. Ein kleiner Junge springt vor Aufregung in die Höhe und ein schmächtiger San steht aufgeregt vor uns. Wir schämen uns fast mit unserem Auto die Einsamkeit zu stören. Das ganze Dorf ist in Aufregung, denn Besucher kommen nicht häufig und schließlich hatte man hier ja den verrückten Plan als lebendes Museumsdorf Gäste anzulocken. Ein freundlicher junger und aufgeweckter San kommt hinzu und begrüßt uns auf Englisch. Er bietet uns einen „Buschwalk“ an und wir freuen uns auf das Erlebnis in alter Tradition mit ihm durch den Busch zu laufen.
Aber es ist alles ganz anders. Wenige Minuten später sind alle Bewohner des Dorfes an ihrem Platz, in alten San-Trachten (wobei es das Wort Tracht nicht trifft, denn diese besteht aus einem Hauch von nichts) begrüßt man uns im alten Dorfkern, wo noch ursprüngliche Hütten errichtet sind.
Es folgen aufregende Stunden in denen sich die San-Mitglieder darin überschlagen ihre ganz persönlichen Fähigkeiten zu demonstrieren. Feuermachen mit dem Holzstab, Fallen bauen, Spuren lesen, Seile herstellen und Jagen zeigen uns die Männer, während uns die Frauen tief in der Erde versteckte Wurzeln zum Verzehr ausgraben und Medizin von Bäumen pflücken. All dies mit einer Umsichtigkeit und der Stammeserfahrung von vielen tausend Jahren. Wir wissen nicht was wir sagen sollen. Wir sind sprachlos und auch ein bisschen beschämt. Natürlich haben wir für diese Führung durch das „lebendige Museum“ bezahlt – dadurch fühlen wir uns allerdings eher noch ein bisschen schlechter. Wer sind wir denn, zu glauben wir könnten uns heute einmal ein bisschen Tradition kaufen?

Wir kommen uns angesichts dieser zierlichen, naturverbundenen und liebevollen Menschen schwach vor. So schwach wie damals auf dem Schulhof, wenn man als Viertklässler die Erstklässler nicht mitspielen ließ. Man kann das tun, man spielt dann alleine – aber richtig gut fühlt sich das nicht an.

Ich fürchte wir Viertklässler dieser Welt haben verpasst, die Erstklässler mitspielen zu lassen. Stattdessen hat man sie fast vom Schulhof verjagt. Es gibt keine Chance mehr sie zurück zu holen. Sie sind weg – fast alle.
So lange uns noch Zeit bleibt, sollten wir allerdings die wenigen verbliebenen Erstklässler ganz höflich um ihre Spiele bitten. Sie kennen so viele. Denn wenn irgendwann demnächst kein einziger Erstklässler mehr auf unserem Hof spielt, (oder vielleicht nur noch unsere Spiele) dann werden ihre Schätze für immer von unserer Welt verschwunden sein und die Erde ist dann wieder ein bisschen ärmer und leerer.

Besucht Tsumkwe, besucht die San und setzt euch für die Urvölker dieser Welt ein.








Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen