Man riet mir ab als Individualreisender durch China zu fahren. Niemand würde mich verstehen. Und falls ich doch unbedingt auf eigene Faust reisen möchte, dann sollte ich das Flugzeug nehmen. Wenn es denn im großen Notfall doch die Bahn sein soll, könne ich Bahnfahrkarten über ein Reisebüro ordern. Am besten online - auf deutsch. Ich will nicht fliegen. Ich will Bahn fahren. Als Individualtourist. Und ich will mir verdammt nochmal meine Fahrtkarte wie jeder andere Chinese auch am Bahnhof kaufen.
Diese Einsicht kam mir als ich die Internetbahnpreise für China anschaute. Danach könnte ich wirklich stattdessen fliegen. Also fahre ich zum Bahnhof in Peking. Mit der U-Bahn.
Im
Fahrtkartenbüro sind nur Asiaten, viele. Vermutlich 100. Und
erstaunlicher Weise erkennen sie sofort, dass ich keiner bin. Und
dann passiert, was mir in China danach noch viele Male passiert ist und wofür ich die Chinesen liebe:
Einer spricht mich an und möchte helfen. Er spricht kein Englisch,
aber er weiß was ich will. Eine Fahrkarte. Schlau gefolgert, in einer
Halle in der es ausschließlich Fahrkarten zu erstehen gibt.
Er zeigt
mir die kürzeste Warteschlange und bittet andere Wartende mich
vorzulassen. Das ist mir peinlich. Aber ihnen ist es peinlich, wenn
ich dieses Angebot nicht annähme. Also stehe ich plötzlich ganz
vorne und alle sind froh. Lachen und begrüßen mich freundlich. Nach
gefühlten eineinhalb Minuten stehe ich also nun ganz vorne in der
Warteschlange. Ich zücke meine Übersetzer, suche als erstes das
Bild im Zeigewörterbuch mit dem weichen Bett heraus: Softsleeper
solle es schon sein. Dann bin ich dran. Mein Herz pocht. Ich halte
meine Landkarte vors Glasfenster und zeige auf Pingyao, danach im
Zeigewörterbuch auf den Zug und auf das erste Klasse Bett. Dann
lächele ich der Dame freundlich zu. Sie schaut mich verständnislos an. Schaut auf
ihren Computer und sagt: „One ticket from Beijing to Pingyao –
softsleeper. Tomorrow?“ Ich grinse verlegen.
„Äh
yes“ „220 Kuai“ - ich zahle. Dann kaufe ich die zweite Fahrkarte - ohne Zeigen. Ich sage ihr einfach wohin ich will und bekomme sie.
Und stehe schon wenige Momente
nach vielen freundlichen Nickern durch den Rest der Wartenden wieder
vor dem Bahnhof. Ich starre auf mein Ticket nach Pingyao.
220
Kuai für eine zehnstündige Nachbahnfahrt von Peking nach Pingyao – Knapp 30 Euro für
eine erste Klasse Fahrtkarte, die im Internetreisebüro 100 Euro
kosten sollte.
Individualtourist
in China zu sein ist echt hart. Eine Bahnfahrkarte zu erstehen ohne
Chinesischkenntnisse nahezu unmöglich. Nur ganz großen Abenteurern
gelingt dieses sogar am Ticketschalter des Hauptbahnhofs.
Sieht aus wie in der Tokioer Börse Ist aber die Anzeigetafel im Pekinger Bahnhof |
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