Samstag, 12. Mai 2012

Mal im Ernst...

Ich habe Rücken. Meine Masseurin in Hamburg sagte mir: Sie sind ein Glückspilz, wenn sie erstmal in Asien sind: Da gibt es gute und preiswerte Massagen. Also: Nichts wie hin. Modernes Massagezentrum in Lijiang. Verschiedene Massagen werden angeboten. Alle preiswert. Sofort findet sich eine Masseurin, die mich in ein Massagezimmer führt. Ich lege mich auf die Liege und keine 30 Sekunden später findet sich ihre Hand zwischen meinen Beinen wieder: „I love you. 300 Kuai?“ Ich erschrecke. Drehe mich um. Schaue sie an. Sie versucht mich zu küssen. „Only 300 Kuai“. Ich stammle „No, no, no!“ und springe auf. Streife mein T-Shirt über und mache mich vom Acker. Durch das Massagezentrum. In die Stadt. Schaue mich um. Verfolgt mich jemand? Niemand. Warum auch? Ich habe nur noch ihren erschrockenen Blick vor Augen, als ich wild aufsprang.
Habe ich etwas falsch gemacht? Ich fürchte: Nur anders als viele andere hier.

Ich gehe in ein Cafe. Ich will nicht alleine sein. Und schaue ins Internet. Massagen + China. Sofort bin ich auf diversen Reiseseiten und lese Einträge, die ich nicht sehen will. Die Männerwelt diskutiert: China oder Thailand – was ist besser? Meint: Wo ist Ficken billiger?

Erstmals wird mir das ganze Ausmaß dieses „Ficken in Thailand“-Klischees klar. Zwischen den tönenden Blogeinträgen über „Happy Ending-Massagen“ immer wieder Zwischenrufe von verzweifelten Forumsnutzern: „Dies ist eine Reiseforum. Bitte ich will euren Kram nicht lesen!“

Die Antworten kommen sofort: „Weltfremd!“ „Spießer“ „Vielleicht eine Frau mit Männer-Nickname“ „Ein Mann kann eben nicht anders!“ und am schlimmsten und besonders oft lese ich „Es ist doch eine win win-Situation. Die Frauen würden sonst nie so viel verdienen. Und irgendwie genießen die Mäuse es doch auch.“
Mir wird übel. Aber ich will das nicht mehr ausblenden, denn es gehört dazu. Auch das ist Asien.

So normal und so alltäglich, dass später mein Hotelchef über meine Erzählungen lacht: „Wieso? Du kannst doch einfach sagen, dass du das nicht willst. Dann massieren sie dich normal. Und vielleicht entscheidest du dich dann ja doch noch um. Happy Ending-Massage bieten dir sogar die Masseurinnen in den Top-Hotels an.“

Kein Wunder, dass meine „Masseurin“ völlig erschrocken war, als ich aufsprang,

Ich selbst komme mir ein bisschen doof vor, wenn ich davon erzähle. In manchen Männerrunden diese Geschichte und es gibt Gejohle. Vermutlich würde ich mitjohlen.
Vielleicht ist das unsere Rolle? Dabei kenne ich viele, die genauso wie ich reagiert hätten. 
Lachen ist natürlich der erste Reflex. So verrückt. Stell dir vor du denkst an eine Massage und dann so was. Schon irgendwie lustig. Aber eigentlich auch überhaupt nicht.

Natürlich habe ich mir lange überlegt, ob ich diese Geschichte in meinem Reiseblog erzählen soll. Schließlich ist der öffentlich und alle können es lesen.

Mir wurde klar: ich muss! Weil ich auch hier ein Statement abgeben möchte. Weil ich dazu eine Meinung habe, die ich nicht verstecken möchte und die jeder lesen darf. Jeder lesen soll.

Weil das Leben, selbst wenn man drüber lacht, eben nicht immer nur lustig ist.

Ich lese in der Morgenpost von dem Mann, der von seiner Bettbekanntschaft eingesperrt wird und zu mehr Sex „genötigt“ wird. Er ruft vom Balkon die Polizei. Am nächsten Tag ist sich die MOPO nicht zu schade ihre Leser zu fragen: Wie oft muss ein Mann können?
Nicht vorzustellen, wenn dieses einer Frau passiert wäre und die MOPO eine ähnliche Frage gestellt hätte.

Und natürlich gibt es da Viele große Unterschiede. Nur einer davon: Eine Kräftefrage zum Beispiel. Wie man bei mir sah. Körperlich stärker, sind wir in der Regel jederzeit in der Lage aus solch Situation zu entkommen. Notfalls mit Gewalt.

Die Situation bleibt trotzdem im Gedächtnis. Auch bei mir. Obwohl ich wirklich keinen Schaden davon getragen habe, ist es etwas mehr als eine schnell erzählte Anekdote, wie sie sonst hier beschrieben wird.

Sie beschäftigt und macht mich vorallem immer noch wütend. Nicht auf die Dame in Lijiang. Sicher nicht. Auf all die Kerle, die das Bild von uns Männern nicht nur in China und Thailand so prägen, dass Frauen erschrocken sind, wenn man kein „Happy End“ gegen ein paar Kuai mehr möchte. Auf all die Spinner, die in Foren feige und stolz ihre Potenz herausposaunen und die besten und billigsten „Massageläden“ bewerten.

Und sicher: Ich bin ein dummer Spießer. Ich habe diese Welt noch nicht kapiert. Ich bin intolerant obendrein.

Meinetwegen könnt ihr auch glauben, dass sich hinter meinem Nick-Name eine Frau verbirgt.

Mir egal ihr Scheiß Thailand-Sex-Touristen: Fickt Euch doch selbst ins Knie. Ist nämlich noch viel billiger als China.



Aus der MOPO













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