„Und
nun“, sagt Willi „gehen wir essen. Hast du Hunger?“ Meine Augen
leuchten wie meine Füße schmerzen. Es ist 15 Uhr und seit sieben
Stunden sind wir auf minutiöser Sightseeingtour. Ich habe großen
Hunger.
„Es
gibt eine absolute Xianer Spezialität“, macht er mir der Mund
wässerig. Ich könnte ein halbes Schwein verdrücken. „Es ist die Paomo-Suppe“ „Eine Suppe?“ Frage ich ohne allzu enttäuscht zu
klingen. Mir ist warm, ich habe Durst und ich habe Hunger. Großen
Hunger. Willi scheint meine mangelnde Begeisterung zu spüren :“Wenn
du magst, gibt es auch einen Salat dazu“
Ich
mache Freudensprünge. Äußerlich. Es dauert eine halbe Stunde. Wir
fahren durch die halbe Stadt nur um zu einem Restaurant zu gelangen,
das ausschließlich eine Suppe anbietet. Paomo-Suppe
Und
Salat. Nicht zu vergessen.
Das
Restaurant ist im vierten Stock eines Bürohauses und ohne
Ortskundigen wäre ich nie drauf gekommen, dass es hier ein
vorzügliches Suppenrestaurant geben soll. Schon beim Eintritt in den
Gastraum wird mir allerdings meine despektierliche Haltung und die
Bedeutung dieses Ortes bewusst. Bilder von Staatschefs,
Schauspielern, Künstlern. Kein berühmter Chinabesucher der hier
nicht gewesen zu sein scheint. Nun ist mein Interesse geweckt.
Wir
werden in dem riesigen Speisesaal an einen der typischen runden
Drehtische geführt. Eine Speisekarte gibt es nicht. Warum auch? Es
gibt sowieso nur ein Gericht. Den Salat kann man sich aus einem
Glaskasten zusammenstellen. Will ich aber nicht. Ich will jetzt die
Suppe.
Serviert
wird eine leere Schale und ein harter Brotfladen. „Etwas trocken
die Suppe,“ versuche ich zu scherzen. Aber Willi ist nicht nach
Scherzen zu Mute. Ich verstehe: Diese Suppe ist Kulturgut. Also
schweige ich. Und tue es ihm gleich. Den Fladen zerkrümeln. „Umso
kleiner, desto besser“, sagt er mir. Ich priemel und prökel. Das
Brot ist hart, weil es ohne Hefe gebacken wird, wie ich erfahre. Es
dauert eine ganze Zeit bis ich den Fladen klein gebrochen habe. Willis ist
trotzdem kleiner gebröselt. Egal. Dachte ich. Die Bedienung weigert
sich meine Schale mitzunehmen. Ich muss nochmal ran. Ich brösel
nach. Ich muss lachen, als ich mir vorstelle wie all die Staatschefs
zusammen saßen und ihr Brot zerkrümelten. Dann wird meine Schale
genehmigt und abgeräumt. Was dann zurück auf meinen Tisch kommt,
ist ein nie dagewesenes Geschmackserlebnis. Kurzum: Es ist eine Sensation!
Eine Rind- und
Hammelsuppe. Piomo. Vermutlich stundenlang gekocht, mit schweren Nudeln und
meinen Brotkrumen, die sich tief mit Flüssigkeit vollgesogen haben.
Recht betrachtet ist es nun auch gar keine Suppe mehr. Es ist keine
Suppe, kein Brei – überhaupt ist diese Konsistenz nichts, was ich
je in meinem Leben schon einmal gegessen habe. Aber es ist unfassbar
gut. Mit Stäbchen isst man dieses Gericht wie alle Suppen in China.
Das fand ich anfangs ja etwas merkwürdig und machte darin den wahren Grund aus, aus warum alle Chinesen so schlank sind. Nachdem ich sie allerdings einige Male beim Suppen-Essen-Mit-Stäbchen beobachtet habe, kann ich dieses als Grund ausschließen.
Weit übergebeugt schaufelt man den Inhalt der Schüssel in den Mund.
Und jeder Bissen schreit nach einem weiteren. Willi beobachtet mich
zufrieden und als auch der letzte Schluck in meinem Mund verschwunden
ist, bin ich glücklich. So glücklich, wie es nur rundum satte Menschen sein
können.
Egal
welche Sensationen ich heute noch erleben werde. Einen Titel hat Xian
schon einmal errungen. Das war die beste Suppe meines Lebens.
Und
das will wirklich was heißen!
Nach getaner Arbeit. |
Ergebnis ungenügend. Nachbessern! |
Was den Weg zurück auf den Tisch findet, ist eine geschmackliche Sensation! |
Suppe mit Stäbchen. Übungssache |
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