Freitag, 11. Mai 2012

Suppe


„Und nun“, sagt Willi „gehen wir essen. Hast du Hunger?“ Meine Augen leuchten wie meine Füße schmerzen. Es ist 15 Uhr und seit sieben Stunden sind wir auf minutiöser Sightseeingtour. Ich habe großen Hunger.

„Es gibt eine absolute Xianer Spezialität“, macht er mir der Mund wässerig. Ich könnte ein halbes Schwein verdrücken. „Es ist die Paomo-Suppe“ „Eine Suppe?“ Frage ich ohne allzu enttäuscht zu klingen. Mir ist warm, ich habe Durst und ich habe Hunger. Großen Hunger. Willi scheint meine mangelnde Begeisterung zu spüren :“Wenn du magst, gibt es auch einen Salat dazu“

Ich mache Freudensprünge. Äußerlich. Es dauert eine halbe Stunde. Wir fahren durch die halbe Stadt nur um zu einem Restaurant zu gelangen, das ausschließlich eine Suppe anbietet. Paomo-Suppe

Und Salat. Nicht zu vergessen.

Das Restaurant ist im vierten Stock eines Bürohauses und ohne Ortskundigen wäre ich nie drauf gekommen, dass es hier ein vorzügliches Suppenrestaurant geben soll. Schon beim Eintritt in den Gastraum wird mir allerdings meine despektierliche Haltung und die Bedeutung dieses Ortes bewusst. Bilder von Staatschefs, Schauspielern, Künstlern. Kein berühmter Chinabesucher der hier nicht gewesen zu sein scheint. Nun ist mein Interesse geweckt.

Wir werden in dem riesigen Speisesaal an einen der typischen runden Drehtische geführt. Eine Speisekarte gibt es nicht. Warum auch? Es gibt sowieso nur ein Gericht. Den Salat kann man sich aus einem Glaskasten zusammenstellen. Will ich aber nicht. Ich will jetzt die Suppe.

Serviert wird eine leere Schale und ein harter Brotfladen. „Etwas trocken die Suppe,“ versuche ich zu scherzen. Aber Willi ist nicht nach Scherzen zu Mute. Ich verstehe: Diese Suppe ist Kulturgut. Also schweige ich. Und tue es ihm gleich. Den Fladen zerkrümeln. „Umso kleiner, desto besser“, sagt er mir. Ich priemel und prökel. Das Brot ist hart, weil es ohne Hefe gebacken wird, wie ich erfahre. Es dauert eine ganze Zeit bis ich den Fladen klein gebrochen habe. Willis ist trotzdem kleiner gebröselt. Egal. Dachte ich. Die Bedienung weigert sich meine Schale mitzunehmen. Ich muss nochmal ran. Ich brösel nach. Ich muss lachen, als ich mir vorstelle wie all die Staatschefs zusammen saßen und ihr Brot zerkrümelten. Dann wird meine Schale genehmigt und abgeräumt. Was dann zurück auf meinen Tisch kommt, ist ein nie dagewesenes Geschmackserlebnis. Kurzum: Es ist eine Sensation!

Eine Rind- und Hammelsuppe. Piomo. Vermutlich stundenlang gekocht, mit schweren Nudeln und meinen Brotkrumen, die sich tief mit Flüssigkeit vollgesogen haben. Recht betrachtet ist es nun auch gar keine Suppe mehr. Es ist keine Suppe, kein Brei – überhaupt ist diese Konsistenz nichts, was ich je in meinem Leben schon einmal gegessen habe. Aber es ist unfassbar gut. Mit Stäbchen isst man dieses Gericht wie alle Suppen in China. Das fand ich anfangs ja etwas merkwürdig und machte darin den wahren Grund aus, aus warum alle Chinesen so schlank sind. Nachdem ich sie allerdings einige Male beim Suppen-Essen-Mit-Stäbchen beobachtet habe, kann ich dieses als Grund ausschließen.
Weit übergebeugt schaufelt man den Inhalt der Schüssel in den Mund. Und jeder Bissen schreit nach einem weiteren. Willi beobachtet mich zufrieden und als auch der letzte Schluck in meinem Mund verschwunden ist, bin ich glücklich. So glücklich, wie es nur rundum satte Menschen sein können.

Egal welche Sensationen ich heute noch erleben werde. Einen Titel hat Xian schon einmal errungen. Das war die beste Suppe meines Lebens.
Und das will wirklich was heißen!

Nach getaner Arbeit.


Ergebnis ungenügend.
Nachbessern!

Was den Weg zurück auf den Tisch findet, ist eine geschmackliche Sensation!

Suppe mit Stäbchen.
Übungssache




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