Donnerstag, 10. Mai 2012

Glück und Liebe

Ich streife durch die Gassen. Eine „All-inclusiv“-Eintrittskarte erlaubt mir über 50 besondere Stätten in Pingyao kostenlos zu besuchen. Allesamt nicht weltbewegend, zeigen sie dennoch ausführlich die Kultur verschiedener Epochen in Pingyao. Ich schaue hinter Mauern, in kleine Museen und Stuben und besuche Tempel. Dieser hier ist besonders schön. Ein riesiger Buddha wartet im Eingangsbereich. In andächtiger Stille nähere ich mich ihm. Ein freundlicher Tempeldiener empfängt mich und zeigt mir wie ich mich dreimal verbeuge. Ich tue es ihm nach. Er reicht mir Räucherkerzen und lädt mich ein diese zu entzünden und in den vorgefertigten Sandkasten zu stecken. Ich zucke, denn in Peking begänne nun die Phase in der man sehr genau aufpassen müsse, nicht komplett übers Ohr gehauen zu werden. Aber ich bin in Pingyao – weit weg von Peking. Rührend führt er meine Hand damit auch jeder Bewegungsablauf stimmt. Dann gehen wir zusammen zu einem Tisch der voller Stempel und Symbole liegt. Er blättert einen Symbolordner durch und ich soll meinen Finger ganz zufällig zwischen die blätternden Symbole stecken. Er macht es vor. Ich tue es ihm nach. Er zeigt mir das Symbol und sucht den dazu passenden Stempel und stempelt es mir behutsam auf ein kleines feines Stückchen Papier. Dieses Symbol sei eines der Besten. Es bedeute Glück und Liebe. Das gefällt mir gut. Ich stecke den Zettel in mein Portemonnaie.
Nun bin ich an der Reihe das Symbol in ein großes Buch zu stempeln. Das tue ich. Er ist glücklich, ich auch. Mit liebevoller Genauigkeit spielt er das magische Prozedere ab.

Dann reicht er mir ein letztes Buch. Eine Art Gästebuch. Ich trage mich gerne ein. Name, Vorname, Land, Beruf, Reisezeit in China, bezahlte Spende.

Bezahlte Spende? Ich schaue ihn an. Er schaut mich an. Er deutet auf all die anderen Namen und Spendensummen: 500 Kuai, 1000 Kuai, 300 Kuai. Irgendwo fünfzehn Seiten vorher finde ich – fast verblasst von anderen panikartigen suchenden Fingern – Emma, Niederlande, 100 Kuai. Wie dankbar ich Emma bin. Ich trage 100 Kuai ein. So weit weg ist Pinyao von Peking also doch wieder nicht. Der Tempeldiener ist nicht enttäuscht. Warum auch? 100 Kuai sind immerhin doppelt so viel wie das Eintrittsgeld für alle 50 Sehenswürdigkeiten zusammen (oder zweimal betrogen Rikschafahren). 12,50 Euro. Für drei Räucherkerzen und einmal Symbolkartenlegen mit Stempeln. Aber was will ich eigentlich? Mir hat man Glück und Liebe vorausgesagt. Von Reichtum war keine Rede.

Tempelbesuch

Dreimal Verbeugen
 
Räucherkerze anstecken



Räucherkerzen brennen

Dieser Symbolstempel bedeutet: Glück und Liebe
Vielleicht aber auch: Quittung über 100 Kuai

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