Dienstag, 22. November 2011

Über das Verlieren von Sachen...

Bei diesem Foto passierte es
Ich greife in meine linke Tasche, dann in meine rechte. Sprinte zum Auto zurück. Ablage? Seitenfach? Scheiße! Fußboden? Nichts! Mein Portemonnaie ist weg. Und ich weiß auch wo es ist. Panik. Eben waren wir in der Wüste Sonnenuntergang gucken. Selbstauslöserfoto auf dem Dach und die Höhe reichte nicht. Ich hab das Portemonnaie drunter gelegt, das ging besser. Danach das Foto angeguckt. Es blieb auf dem Dach. Bestimmt!






Jeder kennt diesen Moment: Linke Tasche, rechte. Panik. Weg. Man kann nicht mehr klar denken. Eben war der Schulschlüssel doch noch in meiner Hand. Auf dem Klo? Auf dem Schreibtisch? Im Kühlschrank? Warum auch immer - ich gucke
immer auch im Kühlschrank nach.
Das Portemonnaie, der Autoschlüssel, der Ehering, das wichtige Schreiben. Verdammt wo ist es? Wie kann das weg sein?

Meine Mutter schaut mich aufgeregt an. Ein Dejavu?

Kurze Rückblende. Zwei Tage vorher. Wir sitzen im riesigen Wohnwagen, mein Vater will ein Foto machen. Fotoapparat? Ich hab ihn nicht mit reingenommen – Du? Ich nicht! Dann im Auto. Im Auto ist er nicht. Jeder guckt jedes Fach sieben Mal durch. Dann mit Taschenlampe unterm Auto. Nichts! Die typischen Fragen: Wann hast du denn das letzte mal...? Keine Ahnung. Heute Mittag? Nein, vorhin war er noch da. Er ist aus dem Seitenfach gefallen. Bestimmt. Mist. Alle Bilder weg.
Lange Gesichter. Tottraurig. Nochmal zum Auto – nochmal alle Fächer. Zum achten Mal. Und eben waren wir noch gut gelaunt. Ich gehe den Weg zur Rezeption ab. Mit Kopflampe.Nichts.
Keiner kann schlafen. Der Fotoapparat ist doch eigentlich egal. Aber die Fotos.
Nächster Morgen. Fotoapparat ist immer noch weg. Laune nicht besser. Was solls. Weg ist weg. Wir fahren nachher nochmal zum teuren Hotel. Vielleicht, dass er da rausgefallen ist, als wir so doll die Tür zugeschlagen haben. Der ist weg. Kann man nichts machen.
Wir räumen unser Gepäck rein. Ich werfe den Schlüssel in den Auscheckkasten. Dann kommt eine Mitarbeiterin. Zufällig. Ich frage. Glaube es selbst nicht. Ein Fotoapparat? Ja, den haben sie gefunden! Unglaublich. Der Chef holt ihn aus dem Safe. Es gibt ein dickes Trinkgeld. Überglücklich! Aber wie oft hat man solch ein Glück?

Mein Portemonnaie ist immer noch weg. Vermutlich in der Wüste.

Wir steigen ins Auto. Finden wir die Stelle wieder? Mitten in der Wüste. Es ist stockdunkel.
Früher, wenn ich was nicht wieder gefunden hab, kam meine Mutter und fand es in Sekundenschnelle. Bevor ich sie rief, schaute ich nochmal ganz genau überall nach. Es war so, als wäre das Gesuchte just in dem Moment wo meine Mutter nachschaute an die Stelle gezaubert worden.

Man versteht es auch nie. Wieso legt man den Schlüssel, der so wichtig ist, einfach irgendwo ab? Und wieso findet man manche Sachen erst nach Jahren wieder? Einmal ist mir mein Autoschlüssel in meinem zwei Quadratmeter-Flur meiner alten Wohnung runtergefallen. Ich habe jeden Schuh einzeln durchgefühlt. Er war weg. Ich hab das Schuhbord weggeräumt und jeden Zentimeter abgesucht. Er blieb verschwunden. Ich musste an dem Tag Bahn fahren, weil der Ersatz bei meinen Eltern lag. Monate später fand ich ihn. Er war senkrecht in die Fuge der hinteren Fußleiste gefallen und hatte sich perfekt zwischen Wand und Leiste eingefügt. Ein perfekter Wurf, der einem in fünf Millionen Versuchen nicht gelingen würde.

Einmal bin ich von meinem Auto direkt vor dem Haupteingang der Fraenkelstraße mit einem Bügel inklusive Jackett und Krawatte in mein Büro gegangen. Als ich ankam, war die Krawatte weg. Bis heute. Obwohl ich sofort vor die Tür lief. Kein Mensch war dort gewesen. Ich suchte jeden Zentimeter Asphalt ab. Sie blieb verschwunden. Vielleicht finde ich sie eines Tages in der Fuge des Schulzauns senkrecht eingefädelt.

Mein Portemonnaie ist immer noch weg.

Wir fahren in die Wüste. Die letzten zwei Kilometer im Schrittempo mit Fernlicht. Vielleicht lag es ja noch ein ein paar Meter auf dem Dach ehe es runterfiel. Wie mein Fotoapparat, den ich mal in Lappland auf dem Dach des Seat Marbella liegen gelassen hatte. Als wir drei Kilometer weiter Tanken wollten, lag er – festgehalten von einer Zierleiste – noch immer auf dem Dach.

Dieses Dach hat keine Leisten. Meine Eltern fahren in den Mitleidmodus. Wir kriegen das schön irgendwie hin.

Bargeld. Egal. Aber Kreditkarten, Ausweise. Fotos, Glücksbringer. Verdammt. Wo standen wir vorhin? Im Dunkeln sieht alles anders aus. Vielleicht da? Aussteigen. Nichts. Weiter. Hier sind Wendespuren. Wieweit fliegt so ein Portemonnaie? Ich krieche ins Feld. Nichts. Wir suchen schon über eine Stunde. Verzweiflung. Scheiße, scheiße, scheiße. Hier noch mal gucken. Dann klappt meine Mutter die Mittelkonsole hoch, also nicht das obere, sondern das große Fach. Da liegt es. Mein Portemonnaie.

Ich glaube jemand hat es genau in diesem Moment dahin gezaubert.



Fotos vom Sonnernuntergang kurz vorm Eingang ins Death Valley



















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