Montag, 7. November 2011

Mit dem Kanu durch die Fuhle


Zu zweit ist sinnlos und vergeudet Tragekraft
Das muss man allerdings erst lernen

Das Kanu-Revier des Algonquin-Nationalparks hat eine Spezialität: Das Seensystem ist zwar weit verzweigt, aber zwischen den einzelnen Seen gibt es meistens keine oder nur unbefahrbare Verbindungen. Das bedeutet: Umtragen! Das kannte ich aus Skandinavien noch nicht – dort benutzt man eine Kanutragewagen bei den wenigen Umtragstellen am Foxen. Der Inari-See ist komplett umtragefrei. Was sich so einfach liest und in der Vorstellung auch gar nicht so schlimm daherkommt: „Na, dann tragen wir das Kanu eben um!“ ist eine unfassbare Plackerei, die uns einige Male bis an unsere Grenzen (und auch darüber) gebracht hat.
Mal stellt sich so ein „Umtragen“ irgendwie einfach vor. Raus dem Wasser, Kanu angepackt und schwupps im nächsten See. Unsere täglichen Umtragestellen waren aber zwischen 300 Meter und drei Kilometern lang. Ich weiß nicht wer von Euch schon einmal ein Kanu alleine durch die Fuhlsbüttlerstraße getragen hat? Und dabei meine ich nicht das obere Stück vom alten Hertie bis zur Haspa-Kreuzung - das sind höchstens 500 Meter. Ich meine fast die ganze Fuhlsbüttlerstraße. Denn mit einem Gang ist ja noch lange nicht alles getan. Die ersten Umtragstellen führten uns insgesamt dreimal hin- und her. Da wird schnell aus 300 Metern hin und 300 Metern zurück und 300 Meter hin usw. eine ganz schön große Strecke.
Die härteste wenn auch nicht längste Umtragestelle bewältigten wir am zweiten Tag. Wir waren noch nicht so firm im Umtragen und trugen das Kanu sogar zum Teil zu zweit (was sich als völlig unpraktisch herausstellte, da extra im Mittelholm eine Kerbe für einen Kopf geschnitzt ist). Unsere Taschen waren noch voll von Essen und ich schätze, dass wir insgesamt (mit Kanu) rund 100 Kilo umzutragen hatten. Und das Ganze über fast zwei Kilometer. Es war bereits 15 Uhr als wir begannen und die Dunkelheit trieb uns zur Eile an.
Es war der Horror und was Sandra an diesem Tage leistete, war unbeschreiblich. Während ich plakativ das Kanu trug (sieht insgesamt etwas schwerer aus als es ist) „fädelte“ sie ein Dutzend Kanutaschen auf einen Gürtel, den sie sich umhängte und an einem riesigen improvisierten Rucksack festband. Da schmerzte schon das Hingucken bis ich sie fast anschrie „Halt an! Pause!“ lief sie wie im Wahn weiter und weiter. In völliger Erschöpfung brachen wir nach 2+2+2+2+2 Kilometern zusammen. Minutenlang konnte keiner etwas sagen (außer: Wir hassen Outdoor) So würden wir unsere „Meisteretappe“, die uns am vorletzten Tag erwartete, nicht bewältigen. Dort wollten wir rund 10 Kilometer paddeln und dazu zwei Umtragestellen bewältigen von der eine drei Kilometer lang war. Und zu allem Überfluss auch noch durch unseren Schlangenwald führte.

Doch wir wurden härter und besser. Vor dieser Etappe entsorgten wir überflüssige Verpflegung und beschränkten uns bei unserem Gepäck auf das Notwendigste (überflüssige Kleidung kann man verbrennen). Die vorhandenen Taschen bastelten wir schon am Vorabend zu besser tragbaren „Hilfsrucksäcken“.

Den ersten Kanuteil bewältigten wir schnell und so machten wir uns in der Mittagshitze an die erste Etappe. Drei Kilometer bergauf und bergab mit 30 Kilo-Umhängetasche oder einem Kanu auf der Schulter an dem auch noch drei gut gefüllte Müllsäcke baumelten und drei Paddel steckten, bleiben trotz aller Vorbereitung eine Tortur.
Gerne hätte ich uns bei dieser Tour beobachtet wie wir bärenglockenläutend durch den Wald zogen. Wir stapften und schimpften über Bäume, die den Weg versperrten über glatte Felsen und über die Tatsache, dass nach jeder Biegung eine neue erschien bis endlich der See vor uns lag. Eineinhalb Stunden hatten wir mit Gepäck gebraucht und wir wollten den Rückweg durch das Gelände ohne Gepäck viel schneller schaffen. Diese Kilometer genossen wir durch das leuchtende Herbstlaub zu wandern und die Sonne auf der Haut zu spüren. Und dennoch merkten wir die aufkommende Erschöpfung, den jeder hatte nur einen Liter Wasser für diese Strapaze. Wir wollten einfach nicht noch mehr Kilos mit uns schleppen. Als wir nach weiteren 55 Minuten wieder am Anfang waren, lagen sechs Wanderkilometer hinter uns und wir machten uns fast sofort mit dem restlichen Gepäck auf den Weg. Wieder über Stock und Stein an einer Schlange vorbei, die Sandra in Erschöpfungsgleichgültigkeit anraunte : „Verschwinde, du nervst!“ und nach weiteren zwei Stunden war auch dieser letzte Abschnitt bewältigt. Neun Kilometer in viereinhalb Stunden. Wir waren ziemlich stolz über unsere Leistung und machten erst einmal „Umtragefotos“, die ein bisschen zu heiter daherkommen (siehe unten).
Die folgenden Kanukilometer und die letzten lächerliche 100 Meter Umtragestelle wurden dann zur Qual. Ich hatte unfassbaren Durst. Wir hatten kein Wasser mehr und zu allem Überfluss gab der Kocher auch noch seinen Geist auf. Wir mussten mehrfach aus dem Boot aussteigen um es zu ziehen und mit allerletzter Kraft kamen wir gerade vor Sonnenuntergang auf unserer Lieblingsinsel an, wo ich drei Liter nahezu kochendes Wasser in mich reinstürzte (erstmals hatte ich erst Feuer gemacht statt die Verpflegung vor Bären zu sichern).
Als wir am nächsten Pausentag im glasklaren Wasser baden konnten und den Blick über die weite des Sees schweifen ließen, war von all den Strapazen nichts mehr zu merken. Warum auch? Wir hatten gesiegt!



Ein Kanu liegt im Walde...



Immer wieder zwingen Biberbauten zum Aussteigen
Umtragen ist dies allerdings nicht!

Es gibt immer einen Weg mittendurch

Freude vor der Strapaze. Kleiner werdende Flüsse deutetn auf die
nächste Umtragstelle hin.

Die härteste Strecke Lake Louisa nach Florence Lake


Bis zur völligen Erschöpfung

Unser Meisterstück

Kurze Pause

Duuuurst!

Qual von hinten!

Lächeln nur fürs Foto nach bewältigter Tortur

Sandras "Einfädelpatent"

da schleppt man mal eben drei Kilometer ein Kanu

Kanutausch

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