Montag, 26. September 2011

Sprachlos und ratlos in den Townships.

Manches macht sprachlos, da Schweigen aber besser ist als nichts zu wissen, nahm ich mir die Zeit für Sprachlosigkeit und eine geführte Township-Tour in Kombination mit der Besichtigung des District Six-Museums. Bis dahin wusste ich über den District Six eigentlich gar nichts. Bei meiner Reise im letzten Jahr nach Johannesburg hatte ich schon Soweto besucht und war ein bisschen vorbereitet. Das sollte an meiner Sprachlosigkeit nichts ändern.

60 000 Schwarze und Coloureds wurde durch einen Erlass von 1966 während der Apartheid aus dem District 6 vertrieben. Der ganze Stadtteil wurde geräumt und sämtliche Häuser abgerissen.
Die Bewohner wurden nach Färbungen ihrer Hautfarbe in verschiedene Townships untergebracht, die auf der Sandebene östlich Kapstadts neu entstanden.

Bis heute existieren diese unterschiedlichen Townships (Für Farbige, für Schwarze) und der District 6 ist noch immer nicht richtig besiedelt. 2004 übergab Nelson Mandela die ersten Schlüssel für District 6-Rückkehrer.Es soll nach und nach ein neuer Stadtteil entstehen, doch bislang liegt der District 6 noch immer ziemlich brach.

Mich macht es hier wie einst in Deutschland und eigentlich überall auf der Welt sprachlos, was Menschen sich so ausdenken. 60 000 Menschen aus ihren Häusern vertreiben? Wer sich weigert wird erschossen? Die Häuser abreißen? Nach Hautfarben in Holzbaracken zwängen? Wer ordnet sowas an? Wer setzt sowas durch? Wer fühlt sich dabei schlecht? Wer fühlt sich gar nicht? Wer macht mit, weil er schwach ist oder nicht anders kann? 
Der District 6
Es steht mir natürlich nicht zu zu richten, weil Zivilcourage und Protest aus der historischen Entfernung immer einfach zu beschreiben sind. Dennoch stehe ich fassungslos im District 6 Museum in der Buitenkant Street 25 und weiß nicht ob ich den Rest der Tour noch erleben will.

Wir fahren durch drei riesige Township insgesamt 1 Millionen Menschen leben hier (die gesamte Einwohnerzahl in Kapstadts Townships wird auf rund 2 Mio geschätzt). Natürlich gehen wir durch die „sicheren“ Stellen wie unser eigener Guide (für jedes Township einer) erklärt. Und es ist alles ganz "wunderbar“:

Überfall! Scherz oder Training?
Glückliche Menschen laden uns in ihre Bretterbuden, wir dürfen von selbstgebrautem Bier probieren, spielende Kinder jagen durch die Straßen und sogar das erste Township Bed and Breakfast steht hier (dem Gast wird für die Unterkunftszeit ein persönlicher Township-Guide zugeteilt). Die Regierung hat Trinkwasser und Strom in die Townships gelegt. Zeiten in denen 20 Menschen auf 6 Quadratmetern wohnten sind vorbei. Sagt man.

Alltagsglück und Normalität werden präsentiert oder ist es wirklich so?

Mir gefällt diese Darstellung nicht. Ich komme mir ein bisschen wie in einem Theater vor, dass alles schönfärbt. Die Darsteller allerdings sind echt und spielen anscheinend nichts vor.

Was hatte ich erwartet? Jagdszenen? Heulende Menschen? Tot, Gestank, Gewalt?

Und dennoch mir graust vor alle dem. Dieser Dreck, dieses Elend – all die Menschen, die so anders leben als man selbst.
Doch das ist meine Wertung. Es bleibt, wie schon einmal an dieser Stelle beschrieben, schwierig. Schwierig die Situation zu beurteilen ohne eigene Wohlfühlmaßstäbe anzusetzen. Was denkt wohl ein Scheich aus Dubai, wenn er in meine Wohnung in Barmbek tritt?
Natürlich würde ich keinen Hammelkopf vom Straßenmarkt kaufen. Nicht in Bretterbuden leben wollen und Bier aus einem Plastikfass selbstgebraut aus einem Plastikeimer trinken.

Spielefortbildung für mich

so schnippst man in Afrika
 Millionen 
Die eigene Brauerei im Towewnship
Townshipbewohnern? Und was muss Aber nicht einziger Mensch, den ich traf, jammerte oder sah unglücklich aus. Muss man deshalb die Townships erhalten? Oder gar alles abreißen wie einst den District 6 und was neues, schöneres bauen? Müssen alle Bewohner neue Häuser erhalten oder wollen alle zusammenbleiben? Wer will das überhaupt? Muss man die Menschen nach und nach in das Centrum Kapstadts integrieren und dort Wohnraum zur Verfügung stellen. In den Stadtteilen in denen auch heute noch die Weißen zuhause sind? An den Stränden von Milnerton oder Tableview? Und wie soll das funktionieren bei rund zwei man für ein neues Haus tun? Oder bekommt man ihn geschenkt – "nur weil man Schwarz ist"?
Muss man Weißen den Wohnraum nehmen, den sie sich einst illegal beschafften oder macht man sich dem gleichen Verbrechen wie damals schuldig, da man wie immer von „den“ Weißen spricht?

Es bleibt ein Südafrika-Bild, das den vernebelten Kopf zwischen Pinguinen, Fußball-WM und Waterfront aufklart. Das aber wichtig ist, wenn man hier reist. Denn die Apartheit ist keine 20 Jahre vergangen und wenn wir mal vor der eigenen Haustür schauen, welche Probleme Deutschland bis heute mit der dagegen lächerlichen Aufgabe der Vereinigung beider deutschen Teile hat, kann man vielleicht Erahnen vor welchen gigantischen Problemen Südafrika steht.
Ein politisch überaus kompliziertes Land, das noch ganz lange nicht am Ende seines Weges ist. Oder wie Deon Meyer ist seinem grandiosen Krimi "Das Herz des Jägers" schrieb:

"Oh Botswana, warum konnte mein eigenes Land nicht so sorglos sein, so arm an Problemen? Warum konnten die Gesichter der Menschen nicht so entspannt bleiben, so freundlich, so friedlich? Was war der Unterschied? Doch nicht die künstlich durch die Savanne gezogenen Linien, die sagten, das eine Land endet hier, das andere beginnt dort. Hier in Botswana war weniger Blut geflossen, so viel stand fest. Die Geschichte war viel einfacher verlaufen. Aber warum? Vielleicht ahtten sie weniger Gründe, Blut zu vergießen. Weniger atemberaubende Ausblicke, weniger fruchtbare Weiden, weniger Hitzköpfe, weniger wertvolle Mineralien. Vielleicht bestand darin der Fluch Südafrikas, es war das Land, in dem Gott die Hand ausgerutscht war, er hatte es mit allem bedacht - grüne Berge und Täler, weite Wiesen, so weit das Auge sehen konnte, wertvollen Metallen, teuren Edelsteinen, Mineralien. Dann sah er es sich an und dachte: Ich lasse es so, es ist eine Probe, eine Versuchung; ich werde hier Menschen mit großem Hunger ansiedeln, ich werde sie aus ganz Afrika und dem weißen Norden kommen lassen, und dann werde ich ja sehen, was sie mit diesem Paradies anstellen."



Das erste Bed and Breakfast in einem Township

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