Samstag, 17. September 2011

Das siebte Weltwunder

Überall in Kapstadt steht es auf riesigen Plakatwänden: Der Tafelberg ist unter die letzten 28 Anwärtern für den Titel „Die sieben Weltwunder der Gegenwart – Naturwunder“ gewählt worden. Nun kann man per Internet oder SMS abstimmen. Bei der Wahl der „sieben Weltwunder der Neuzeit“ sollen 2007 fast 100 Millionen Menschen abgestimmt  und letztendlich

Die Mayastadt Chichen Itza, die Chinesische Mauer, die Erlöserstatue Christo Redentor in Rio, das Kolosseum in Rom, die Inkastadt Machu Picchu in den Anden von Peru, die Felsenstadt Petra in Jordanien und das Taj Mahal in Indien

zu den sieben Weltwundern gewählt haben.

Was soll man dazu sagen? Die Ägypter hatten schon vorher Protest eingelegt, weil die Pyramiden ja nun schon in der Antike zu den Weltwundern gehörten und schlecht durch eine SMS-Abstimmung abgewählt werden könnten. Also strich man sie schnell von der Abstimmungsliste und ernannte sie zum „ewigen Weltwunder“.
Die auserwählten Bauwerke sind sicherlich allesamt bemerkenswert und sehenswert und Höhepunkt einer jeden Reise – dies gilt allerdings für viele andere Bauwerke auch.

Nun werden also die „sieben Naturwunder“ gewählt und Kapstadt macht mobil. Im Internet habe ich gleich erst einmal die Konkurrenz sondiert und mit Erstaunen festgestellt, dass auch ein Deutsches Naturwunder zu wählen ist...

Ein Norddeutscher wäre wohl niemals darauf gekommen und hätte selbstverständlich das Wattenmeer vorgeschlagen oder maximal die Lüneburger Heide. Aber Deutschland geht nicht mit der Zugspitze, dem Allgäu, dem Harz, dem Thüringer Wald, der mecklenburgischen Seenplatte oder Rügen ins Rennen.

Für Deutschland startet: Der Schwarzwald!

Nachdem ich das gelesen hatte, votierte ich in sekundenschnelle für den Tafelberg und schickte eine SMS. Ohne einen anderen Kandidaten zu kennen. Ich war nämlich schon zweimal im Schwarzwald. Einmal schaffte Ingos alter VW-Bus den Feldberg kaum und hatte danach einen kompletten Zusammenbruch, so dass wir den Urlaub abbrechen mussten und beim anderen Mal radelte ich mit Berthold tagelang durch strömenden Regen durch die schattigsten Schluchten und höchsten Erhebungen meines ganzen Fahrradlebens.

Einzigartiger Ausblick auf Kapstadt vom Felsplateau
Später wollte ich aber noch einmal ganz genau wissen, was denn nun dran sei am „Naturwunder Tafelberg“ und beschloss bei strahlendem Sonnenschein die Fahrt mit der Gondelbahn anzutreten und mich ganz unvoreingenommen über einen der Kandidaten zu informieren (man darf übrigens beliebig viele SMS schicken).

Den ersten Pluspunkt erhielt der Berg schon an seinem Fuße, bzw. an der Bodenstation, die allerdings auch schon einige hundert Meter über der Stadt schwebt. Da ich im südafrikanischen Winter meine Tour antrat, passierte ich mit einem Lächeln die Hinweisschilder „Ab hier warten sie 1.30 Stunden bis zum Ticketverkauf“, „Ab hier warten sie 60 Minuten für den Ticketverkauf!“ usw... und stellte mich als erster und einziger Kunde an dem Ticketschalter an.

Man stelle sich am besten mit Blick zum Felsen in die Kabine,
sobald es spektakulär wird, schaut man durch die Rotation
zur richtigen Seite...
Insgesamt 64 Personen können gleichzeitig in eine Kabine steigen, die sich während der Fahrt in luftige Höhen einmal um die eigene Achse dreht, so dass jeder mal den freien Blick hat und jeder Mal gegen die Felsen guckt.

Das fand ich gerecht! Zumal ich als letzter Gast einstieg und gegen die Felsen gucken musste und durch das Rotationsprinzip plötzlich einen wunderbaren Ausblick hatte, als es der Ausblick wert wurde, während „schön doof“ die anderen dann gegen die Felsen gucken mussten. Manchmal mahlt eben nicht, wer zuerst kommt...

Gedankenspiele und sinnlose Selbstauslöser-Fotos als Rechtfertigung
Oben angekommen wartet wirklich ein prächtiges Panorama mit Blicken über Kapstadt, aber auch über das ganze Bergland und die atemberaubenden Strände.

Wie überall auf der Welt brauchte man nur rund zehn Minuten zu gehen, um fast vollständig ungestört auf dem Tafelplateau spazieren zu können. Das war schön und ehrlicher Weise fand ich das schon ziemlich einzigartig. Kann mich nicht daran erinnern bislang eine Stadt erlebt zu haben, die a) ebenso groß und impulsgebend ist, b) von einem derartigen Berg umgrenzt und c) zur anderen Seite von hellem Sandstrand abgeschlossen wird.

Ich setzte mich also auf einen Stein, blickte in die Ferne, machte die obligatorischen Selbstauslöserfotos (kann ja jeder sagen, dass er schon mal hier war) und dachte über die Nominierungen nach. Leider kannte ich neben dem Schwarzwald (durchgefallen s.o.) nur noch den Grand Canyon und den Milford Sound in Neuseeland. Bald würde ich noch die Galapagos-Inseln bereisen, dann waren es fünf bekannte Orte.

Wie verdammt nochmal sollte man denn da abstimmen? Und während ich das dachte ging eine Sirene los (also nicht in meinem Kopf, sondern ganz in echt). Ich ignorierte diesen Ton für diesen Ort als unangemessen und dachte weiter. Wie viele Menschen, die ich kenne, haben mehr als sieben dieser Orte bereist? Wie viele könnten also wenigstens einen minimalen gerechten Juryjob machen?

Ich bitte also alle Leser die Liste der Naturwunder durchzugehen. Wer hat mehr als sieben der Orte selbst gesehen und könnte uns für die Abstimmung beraten?

Ich persönlich möchte nämlich nicht die Peinlichkeit der letzten Abstimmung noch einmal erleben. Da stimmten innerhalb einer Woche in Mali mehr Menschen ab, als insgesamt in ganz Deutschland. Wie soll da der Schwarzwald auch...

Plötzlich stand ein kleines aufgeregtes Männchen in Uniform neben mir. Ob ich wüsste, dass die letzte Gondel des Tages in ca. zwei Minuten abfährt und ob ich alles für eine Übernachtung auf dem Plateau dabei hätte?

Ich lief also wie der Blitz, den zehnminütigen Hinweg in zwei Minuten zurück und erreichte als letzter Fahrgast des Tages die Seilbahn, wo man kopfschüttelnd auf mich wartete. Fünf Minuten später war ich heil am Boden der Tatsachen angekommen.

Und das war dann wirklich ein Wunder!



Irgendiwe stimmt das Schild nicht - oder der Berg.

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