Donnerstag, 15. September 2011

Auswärtsspiel - als Spielervermittler in Sambia

In der großartigen Zeitschrift „11 Freunde“ (http://www.11freunde.de/)  gibt es die Rubrik „Auswärtsspiel“ - hier habe ich abgeguckt und mich in bester „Groundhopper“-Manier, zum „Spitzenspiel“ der höchsten sambischen Fußballliga „Super Division“, zwischen dem Tabellen Vierten „Zanaco FC“ und dem Elften „Kabwe Warriors“, ins heimische „Sunset Stadium“ von Lusaka , aufgemacht.

Da ist dieses Kribbeln, das ich immer bekomme, wenn ich mich einem Fußballstadion nähere. Es ergreift mich und umfasst mich je nach Situation. Es gibt Faktoren, die verstärken das Kribbeln. Wenn es z.B. ein bedeutendes Spiel ist, wenn eine „meiner“ Mannschaften antritt, die Saison sich dem Ende neigt, oder der Gegner Rostock oder Werder heißt. Ganz besonders starkes Kribbeln verspüre ich auch, wenn ich in ein „neues“ Stadion komme, das ich noch nie besucht habe.
Und seit dem Besuch des Sunset Stadions habe ich noch eine weitere Kategorie entdeckt: Das bislang stärkste Kribbeln meines Lebens hatte ich, als ich die 5000-Mann-Tribüne des Sunset-Stadions emporstieg und feststellte, dass mich rund 8000 „schwarze“ Augen freundlich anschauten, die sich wohl alle gemeinsam fragten: „Was um Gottes Willen macht der hier?“ Ich setzte mich also als einziger weißer Gast auf die Tribüne und das Spiel konnte beginnen.



Ich mag es nicht als „Unparteiischer“ ein Spiel zu gucken, so dass ich mir (auch im Fernsehen) immer eine Mannschaft aussuche. Normalerweise habe ich das genaue Regeln, wenn meine Teams nicht spielen.

Ein kleiner Einblick:

  • Immer gegen Bayern, außer im Europa-Cup
  • Im DFB -Pokal für die „Kleinen – außer ab dem Halbfinale, weil dann droht, dass sie sich für den Europapokal qualifizieren und unsere Fünfjahres-Wertung kaputt machen
  • In der Liga je nach Tabellenstand und dem Nutzen für den HSV+St. Pauli
  • International für die deutschen Teams (s.o. Fünfjahreswertung – außer für Werder im Finale 2009 gegen Schachtor Donezk)
  • Ansonsten lieber für die Engländer als für die Italiener (außer für Chelsea)
  • Und neuerdings für Madrid wegen Khedira und Özil (wenn sie nicht spielen, ist es mir aber auch egal)
  • Immer für Rosenborg Trondheim
  • Für sympathische Spieler (z.B. wie einst Lineker)
  • Im Weltpokal für die europäischen Teams (damit klar ist, dass Europa die stärkste Champions-League hat)
  • Im Stadion für die besseren Fans (Beispiel: Argentinien – Elfenbeinküste WM 2002 Vorrunde in Hamburg, als Fan der Elfenbeinküste (wegen Demel) gekommen, nach den ersten fünf Minuten unfassbarer Stimmung komplett auf Argentinien umgeschwenkt oder Achtelfinale in Hannover: Als Spanien-Fan gekommen und auf Frankreich umgeschwenkt, weil die Spanier während der französischen Hymne gepfiffen haben)

Da ich bislang noch keinerlei Regeln für meine Fanschaft in der sambischen Liga aufgestellt hatte, musste ich mich also auf meine ersten Eindrücke verlassen. Ein freundlicher, zahnloser Mann kam zu mir, umarmte mich und sagte: „Du musst für die Warriors sein, das bringt Glück!“ - damit war mein Schicksal besiegelt – seines aber auch!

Ich war für die Kabwe Warriors

Bevor es dann richtig losging zwei Beobachtungen, die man als Anregung nehmen kann. Es gab keine Toiletten, man stieg die Tribüne hinab und pinkelte auf den Parkplatz. Da ich Stadiontoiletten sowieso ekelig finde, fand ich das gut.

Es gab keine Bratwurst, aber alles andere: gebratene Hühnchen, Nüsse, Teigtaschen, Teigbällchen, Hackbällchen und ohne Ende hart gekochte Eier, die in Unmengen konsumiert wurden. Die ganze Tribüne lag voller Eierschalen. Natürlich war alles extrem preiswert. Schon der Eintritt hatte nur rund 50 Cent gekostet.

Mein Platz im Stadion (dort wo ein Zuschauer fehlt, saß ich)

Dann gings los und ich wills auch gar nicht lang machen, weil es irgendwie wie immer war. Mein Verein, die Kabwe Warriors stürmten 90 Minuten auf das Tor von Zanaco, sie waren absolut spielbestimmend und spielten exzellenten Fußball bis ca. 20 Meter vor dem Tor. Es war unfassbar wo der Ball beim „Abschluss“ überall hingeriet, wenn es denn überhaupt mal zum Torschuss kam. So kam es wie es kommen musste: Zanaco hatte zwei Chancen und nutzte diese. Einmal gleich zu Beginn in Halbzeit eins und dann als der Druck der Warriors am größten wurde in Halbzeit zwei. Das wars.

Für die Statistiker

Fabrice Mbimba (5')
Jacob Mupeta (70')

In der Halbzeit sprachen mich diverse Zuschauer an, wen ich am stärksten fände. Als ich einen starken Kabwe-Spieler nannte (den Mittelfeldmann auf Links) steckte man mir plötzlich Telefonnummern zu. Alle waren „best friends“ und während ich  noch nachdachte, was ich mir der Nummer sollte, empfahl man mir andere Spieler und fragte, ob sie in Europa eine Chance hätten.

Mir ging ein Licht auf und egal wie oft ich versuchte zu dementieren, dass ich ein Spielervermittler oder Talentscout sei, es half nichts! Man zwinkerte mir wissend zu und lächelte anerkennend. Es kamen immer mehr Menschen, die sich um mich versammelten und mich in Gespräche verwickelten, die mir Spieler anboten oder andere Teams empfahlen.
Um irgendwie noch das Spiel zu Ende gucken zu können, spielte ich irgendwann mit und tat sehr konzentriert als die Teams den Platz betraten, notierte irgendetwas in mein Tagebuch. Man ließ mich sofort in Ruhe „arbeiten“ blieb aber in meiner Nähe.

Wie sollte ich nur nach dem Schlusspfiff da raus kommen? Ich entwickelte einen Plan: 5 Minuten vor den Schlusspfiff ging ich telefonierend (mit ausgeschaltetem Handy) Richtung Ausgang und zeigte den Jungs den erhobenen Daumen.

Ich hatte genug gesehen! 
Ich ging lieber etwas früher - ich hatte genug gesehen!


...

Ein kleiner Nachtrag: Nachdem ich den „Kabwe Warriors“ meine sambische Fanleidenschaft geschenkt habe, verloren sie drei weitere Spiele in Folge und sind auf den 15.Platz abgerutscht (von 16 Teams). Sie müssen in den verbleibenden acht Spielen fünf Punkte auf einen Nichtabstiegsplatz aufholen. Ich sage dies nur für alle folgenden Länder. Liebe Fans sollten ihr mich auf der Tribüne erblicken, bittet mich nicht darum für euer Team zu sein. Das geht in der Regel schief!

Ein zweiter Nachtrag: Es scheint ein guter Job zu sein als Spielervermittler zu arbeiten: Man schaut Fußball in aller Welt, die Menschen sind sehr freundlich zu einem, man kann ganz viele gekochte Eier essen und viel falsch machen kann man auch nicht. Oder im Klartext: Hey, HSV-Scouts guckt mal auf den linken Mittelfeldspieler der Kabwe Warriors - viel schlimmer werden kanns ja nicht!

Letzter Nachtrag: Wer das Schicksal der Kabwe Warriorsweiter mitverfolgen möchte: Die FIFA hat eine sensationelle Seite mit den Tabellen und Ergebnissen aller Länder. (Tabellenstand in Sambia)


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