Montag, 5. September 2011

Grenzformalitäten die Zweite

Nach unserer Grenz-Odyssee zwischen Namibia und Botswana stand nun der zweite Grenzwechsel mit Auto bevor: Botswana – Sambia.

Tatsächlich schwante uns nichts Gutes, da man viel über diese besondere sambische Grenze Kazangula/ Kasane gehört hatte. Im Internet riet man glatt, den Landweg über das Mugabe-Regime Zimbabwe zu nehmen, statt per Fähre nach Sambia überzusetzen. „Leute, ich weiß nicht was ihr wollt, nachdem ich mir das stundenlange Chaos in Kasane das letzte mal angetan habe, bin ich dieses Mal völlig entspannt durch Zimbabwe nach Livingstone gefahren und dort problemlos nach Sambia eingereist“

Wir scheuen keine Erfahrungen und so wählten wir den Fähr-Grenzübergang Botswana – Sambia Kazangula/Kasane. Schon auf botswanischer Seite riesige LKW-Schlangen und keinerlei Ordnung, eine Mini-Fähre sollte all dieses bewerkstelligen. Wir waren skeptisch. Aber aller Unkenrufe zum Trotz fertigte man uns schnell ab, wies uns eine Extra-Spur zu und schon knapp ne Stunde später waren wir auf der Sambesi-Fähre Richtung Sambia.



Aus meinem Mund mag ein „Siehste, geht doch – man soll nicht alles glauben was im Internet steht“ gekommen sein – gescholten sei ich dafür!

Auf der Fähre wuselten schon drei bis fünf Menschen um uns herum und begleiteten uns zum Kassiermeister. Sie redeten ununterbrochen auf uns ein. Doch nach weiteren zehn Minuten waren wir auf sambischer Seite und schüttelten diese Menschen erst einmal ab. Der Kapitän schmunzelte uns zu, ließ die Fährrampe runter und sagte „Willkommen in Sambia!“ bevor er schnell wieder ablegte...

Was uns dort erwartete war unbeschreiblich und soll doch zu skizzieren versucht werden:

Hunderte LKWs standen und warteten, vermutlich seit Tagen auf die Abfertigung. Menschen wuselten umher, sie brüllten und gestikulierten. Alle Autos standen kreuz und quer im Staub, im Morast, im Dreck und eine Barackenanlage sah nach einer Grenzstation aus.


Diese LKWs warten vermutlich tagelang

Wir wussten gar nicht wo wir als nächstes hinfahren sollten bzw. winkten diverse Menschen in unterschiedliche Richtung. Rund 20 davon hatten offizielle Schilder um den Hals, die anderen keine – aber alle wollten uns in unterschiedliche Richtungen dirigieren. Wir parkten und ein Pulk von Menschen schoss auf uns zu. Ein Wortschwall prallte auf uns ein „Dahin, dahin!“ und „Sie brauchen keinen Agenten, sie schaffen es alleine“ sowie „Ich will ihr Agent sein!“ - Uns war völlig klar, dass wir es alleine schaffen würden, warum auch nicht? Warum auch nicht? Darum!

Das Ziel - Grenzdurchfahrt -
alle Menschen hatten nur ein Ziel: Unsere Taschen zu leeren


Die Pässe wurden in gewohnter Art abgestempelt, nur dass wir diesmal mehr Geld als sonst im Office zahlen mussten. Unsere Anträge wanderten auf einen unfassbar großen, halb zusammen-gestürzten Haufen und werden wohl nie wieder angeschaut. Niemand hat überprüft was wir drauf schrieben und ich hatte zwischendurch die Idee einfach „blablabla“ einzutragen. Der Haufen war unfassbar, um es einordnen zu können, muss man sich vorstellen wie mein Büro in schlimmsten Tagen aussah und dieses mit 150 multiplizieren.

Damit war es aber noch lange nicht getan, denn ein Zettel am Schalter „Sie brauchen keinen Agenten, denn diese sieben Stationen werden sie alleine bewältigen!“ machte uns wenig Mut. Jochen und Jana gingen zurück zum Auto, denn wir befürchteten, dass unser Wagen vollgepackt mit all unseren Halbseligkeiten in dieser aufgehitzten Stimmung sicher ein interessantes Objekt wäre. Was Sandra und ich dann erlebten, habe ich in meinem Tagebuch nicht aufgeschrieben, sondern aufgezeichnet, weil mir noch Tage danach die Worte fehlten. Wir wurden von zwei Menschen hinter die Baracken geführt. Wir wussten nicht: gehören die dazu? Einer hatte ein Schild angesteckt und sah damit offizieller aus, als der andere. Wir gingen in eine weitere Hütte, dort wartete ein Polizist oder Beamter hinter einem Schreibtisch. Wieder mussten wir Formulare ausfüllen und unsere Fahrzeugpapiere vorzeigen. Dann sollten wir eine Gebühr entrichten – rund 240 000 Kwacha (rund 30 Euro). Witzig! Woher sollten wir als Einreisende etwas von der Weltwährung Kwacha in der Tasche haben? Auf Nachfrage sagte man uns: Nein, Geldwechselstuben gibt es hier nicht und Automaten auch nicht. Kartenzahlung, nicht möglich! Sandra und ich guckten uns fragend an und es kam das typische afrikanische Grenzgefühl auf: Niemandsland?

Draußen wussten wir was hier gespielt wurde – dachten wir. Gleich dutzende Menschen kamen auf uns zu und steckten uns Kwacha zu. Ich dachte, wir müssten zu einem Horrorkurs nun diese kaufen. Aber man wollte kein Geld von uns – noch nicht. Um es abzukürzen (bei Interesse erläutere ich gerne meine Tagebuchskizze, wenn ich wieder daheim bin) – es folgten diverse unbeschreibliche Stationen. Mal brauchte man Dollar, mal Kwacha und immer begleitet von den „No corruption!“-Plakaten an den Wänden. Immer im Schlepptau die beiden Agenten, die uns mittlerweile eine völlig unüberschaubare Anzahl Kwachas ausgelegt hatten.

Zum Finale wurden wir zum Auto geführt und Sandra als „Faustpfand“ mit über die Grenze genommen. Ich sah sie gar nicht mehr, als ich über die Grenze rollte ohne kontrolliert zu werden. Dort fanden wir sie in einem Versicherungshäuschen. Ich war erst einmal überglücklich sie wieder zu sehen, hätte schon die schlimmsten Befürchtungen. In Sambia müsse jeder eine Versicherung abschließen (diese wurde später auch tatsächlich zehn Kilometer weiter von einer Polizeistraßensperre kontrolliert).

In einem dieser Häuschen hielt man Sandra "gefangen"

Die Versicherung kostete wieder unüberschaubare Kwachas, die wieder in gewohnter Weise ausgelegt wurden. Vor der Tür kam ein weiterer fliegender Händler, der mir rote Klebestreifen fürs Auto verkaufen wollte – diese seien Pflicht. Da stimmte auch unser „Agententeam“ zu. Also kaufte ich billige rote Klebestreifen für weitere tausende Kwacha oder Dollar oder was weiß ich. Dann wurde ein Taschenrechner gezückt und da ich sowieso jeden Überblick verloren hatte (und sowieso nicht wusste wie der Wechselkurs stand), konnte ich nur noch nicken. Ich öffnete alle meine Taschen um mich mit meinen verschiedenen Währungen freizukaufen. Am Ende hatte uns dieser „Spaß“ 3,5 Stunden und 400 Euro gekostet (inkl. Visa), vermutlich wäre es noch teurer geworden, hätte ich noch einen Cent mehr in den Taschen gehabt. Alles war leer. Die Agenten zogen beleidigt ab, als hätten wir die Zeche geprellt. Wir waren fertig. Sandra sogar so fertig, dass sie zitterte und weinte und mir ging es fast ebenso. Das sollte unser Land sein, dass wir im letzten Jahr so glückserfüllt verlassen hatten? Wir waren bedient. Sambia hatte uns derart abweisend empfangen wie keines der vorherigen Länder und brauchte einige Tage bis wir es wieder „lieb“ hatten. Die Erinnerung allerdings blieb bis heute frisch und lässt mich noch immer erschaudern - dagegen war das Grenzgeplänkel um falsche Autopapiere lächerlich.




Es war einfach eine harte Dosis strukturierten Psychodrucks über mehrere Stunden.

Am nächsten Tag machten wir uns auf das Drama zu verarbeiten und fuhren abermals zum Grenzübergang und machten im Vorbeifahren ein paar Fotos. Wir hatten es immer noch nicht überwunden und bei mir lief sofort wieder der Schweiß und ich begann zu zittern...


Bleibt die Frage:


Kann man diesen Übergang nutzen?

Ja! Aber man muss Lust auf Abenteuer haben und cool bleiben.

Es ist völlig klar, dass Sambia hier nicht mit offenen Armen empfängt, sondern die Korruption blüht.

Also:

Visumgebühren in Dollar (50$ pro Visum und auch ansonsten Dollar dabeihaben, um eine bare Alternative zu Kwachas zu haben)

Keine Agenten annehmen und dieses selbstbewusst bekanntgeben.

Parken, aussteigen und zum ersten Schalter gehen (dem Druck von außen: „schnell, schnell, schnell“ standhalten – dies ist System, alle zum Wahnsinn zu treiben)

Den jeweiligen Beamten fragen, wo es weitergeht (hinter dem Haus, wo genau?)

Auf jegliche Ausgabe sofort eine unterzeichnete Quittung verlangen und auf „no corruption“ hinweisen (dieses wird nämlich auf den Plakaten immer empfohlen)

Von den Beamten eine Lösung erwarten, wo Kwacha zum normalen Tarif gewechselt werden können. Notfalls bitten eine übergeordnete Stelle anzurufen, um dieses Problem zu lösen.

Falls dennoch „schwarz“ gewechselt wird – sofort (!) den Tausch mit Gegenwährung abschließen. Als dauerhafte Faustregel: Dollar = 5000 Kwacha - Euro = 8000 Kwacha (damit kommen die meisten trotzdem gut hin!)

Sich frei ein Versicherungshäuschen wählen. Die Preise vergleichen (Agenten und Versicherer arbeiten zusammen an dieser Masche – uns wurde es erst später klar, dass es alles auf diesen Deal hinauslief!) - Nichts hetzt einen!

Die roten Streifen meinetwegen kaufen (wir wurden nie danach kontrolliert) aber einen Festrpreis vorher ausmachen (maximal 2 Dollar für dieses bisschen Klebefolie)

Oder unser Tipp: Den Grenzübergang von Botswana nach Namibia nehmen und dann von Namibia über Katima Mulio nach Sambia einreisen. Die waren dort derart freundlich, professionell und alle Gebühren waren ordnungsgemäß. Das wussten auch die Agenten – deswegen waren keine dort!

Oder doch durch Zimbabwe?
Man wartete sofort wieder auf uns -
auch am nächsten Tag aus der anderen Richtung











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