Montag, 16. April 2012

Ja, ich habe in Brasilien zugenommen.

Egal welche Online-Zeitung ich virtuell aufschlage. Keine kommt ohne die „Beste Diät“ der Erde aus. Da wird der komplette Verzicht auf Fett propagiert und ebenso die alleinige Zuführung von Fett als geniale Diät beschrieben, bei der die Pfunde purzeln. Da werden Kohlenhydrate, Punkte und Sternchen gezählt. Es gibt die Reis-, Kartoffel,Nudel- und Soja-Diät. Und schon beim Anblick eines fast jeden Showsternchens fühlt man sich zentnerschwer übergewichtig – ganz gleich ob man das vielleicht auch sogar ist. Und diese Diät-Propaganda und das Streben nach BMI ist so tief in unseren Gedanken verwurzelt, dass es doch tatsächlich eine Reihe Menschen gibt, die mich allzeit mit den selben Worten begrüßen: „Aber abgenommen hast du nicht...“oder „Auch wieder ein bisschen zugenommen, oder?“
Dabei habe ich noch nie jemanden begrüßt mit: „Ach, und immer noch dumm wie Brot?“

Und für all die freundlichen Begrüßer: „Ja, ich habe in Brasilien zugenommen, aber warum ist das für dich wichtig?“

Natürlich spielt Übergewicht für die Gesundheit eine Rolle. Und deshalb muss man aufpassen, dass alle Werte stimmen und dabei auch an seinem Gewicht arbeiten.

Aber für die Gesundheit sind auch andere Dinge wichtig: Alkohol, Nikotin, Stress, Sportabstinenz. Damit ist mir noch niemand gekommen: „Na, wieder mal keine Zigarette geraucht?“ Dabei würde mich das freuen, weil ich doch nur Silvester eine Zigarette rauche und nie Alkohol trinke.

Ich glaube, dass diese vielen Diäten vor allem eines tun: stressen! Und Stress macht krank.

Natürlich ist es gut, wenn man ganz automatisch sich gesund ernährt. Viel Sport treibt und immer ausschläft. Das würde ich auch gerne. Aber so ist das Leben nicht. Bei mir jedenfalls nicht und wenn ich mir die angeboten Diäten anschaue, auch bei vielen anderen Menschen nicht.
Ich liebe Pudding und Schokolade. Ich liebe Cola. Ich liebe Schlachtplatten beim Griechen.
Das mag nicht gut sein. Aber lecker.

Es ist eine Sache aus Gesundheitsgründen an seinem Gewicht zu arbeiten. Aber um ein Ideal zu erfüllen, von dem niemand weiß, wer es idealisiert hat?

Das man das auch anders haben kann, zeigten mir ausgerechnet die Brasilianer an denen ich anfangs meiner Tour durch ihr Land doch allerhand Übles unterstellt hatte. Aber die Lust am Leben und ihren Körpern haben mich fasziniert. In meinen Gedanken waren die Samba-Tänzerinnen beim Karneval spindeldürr und allenfalls pralle Kurven zeichneten sie aus. Vielleicht suggeriert dieses sogar unsere deutsche Berichterstattung. Mitnichten! Wohlig erlebte ich diese tollen Frauen, die ihre Körper durch die Nacht der Sambaparade tanzten und dabei gegen sämtliche Germanys Next Topmodells adipös wirkten. Wie schön!

Männer wie Frauen zeigten an Meer und Strand was sie haben. Welch ein Land in dem Männer stolz zu ihren Frauen stehen und diese stolz auch alles zeigen ohne zu verhüllen, zu vertuschen oder zu verzichten. Und plötzlich hege ich sogar Sympathien für den kleinen dicken Fußballbrasilianer Ailton, der diese Lebenseinstellung sogar in der Bundesliga lebte.

Ich sah keine Diätdrinks in den Regalen, keine Diätspots im Fernsehen und niemanden, der sich seiner Fleischplatte um Mitternacht schämte. Kein Wunder, dass Brasilianische Restaurants in Deutschland für das Rodizio bekannt sind (Fleisch bis zum Abwinken)
Zum Frühstück schlemmten allesamt am Kuchenbuffet. Während ich anfangs die geschälten Bananen auffüllte. Dabei hatte ich viel mehr Bock auf Kuchen. Später aß ich auch welchen. Aber nur ein Stück.
Ich weiß noch wie ich mal auf einem Jugendgruppenleiterkurs nach dem Frühstück direkt zum Bäcker zog. Die jungen weiblichen Teilnehmerinnen runzelten die Stirn: „Du kaufst Kuchen zum Frühstück?“
Ich war damals noch verwirrt: „Ja, wann denn sonst? Heute Nachmittag bekommen wir doch sowieso welchen!“

Wichtig ist, so wird propagiert, sich selbst im Spiegel sehen zu mögen. Das ist richtig, wenn das Spiegelbild ein echtes Abbild unserer selbst ist. Ich habe aber das Gefühl, dass wir uns in Deutschland schon längst nicht mehr selbst spiegeln. Was dort aus unserem Spiegelbild zurückruft, ist das propagierte Bild von BRAVO, über Topmodell-Sendungen bis hin zur Bild der Frau. Und das Schlimmste: Wir können, das gar nicht mehr unterscheiden.

Brasilianische Spiegel sind jedenfalls anders. Sie zeigen die Menschen wie sie aussehen. Und so wie sie aussehen gehen sie auch schwimmen, sich sonnen und lassen sich fotografieren – sogar von der Seite. Und ich glaube, das ist gesund.

Und Ja, es ist anstrengend unfit zu sein. Aber Leute, die ab 20 Uhr keine Schokolade mehr essen, weil sie „auf die Figur achten müssen“ finde ich auch anstrengend.

Zu guter Letzt: Ein Bauch hindert nicht am ekstasischen Samba-Tanzen, vermutlich selbst ein deutscher Bauch nicht! Egal was die anderen dazu sagen.


Man lernt als "Dicker", dass man sich
 nie von der Seite fotografieren lässt.
Schaut im Blog nach.
Fast alle Bilder sind frontal geschossen.




Herrliche Frauen, mit herrlichen Körpern, die man
gerne beim Tanz zeigt...
Und spindeldürr ist was anderes.

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