Dieser vielzitierte und ehrlicher Weise, auch etwas aus dem Zusammenhang gerissene Satz von Friedrich Schiller prägt mein Leben seit ich "denken", pardon "spielen" kann...
Meine berufsbegleitende Ausbildung zum Spielpädagogen habe ich in diesem Jahr weitestgehend abgeschlossen. Es waren wunderschöne vier Jahre, in denen ich nicht nur viele tolle Menschen kennenlernen durfte, die überall in Deutschland wunderbare Arbeit mit Kindern und Jugendlichen machen, sondern vor allem viele neue Spielideen aus allen Bereichen der Spielpädagogik mitnehmen konnte. Im Gegensatz zu meinem Studium war dieser Ausbildung in der Spielakademie Remscheid eine Ode an die Praxis. Ich kann nur jedem raten, diese Akademie zu besuchen und an einem der tollen Workshops teilzunehmen, die ganz unterschiedliche Bereiche abdecken (Vom Buchdrucken, über Malen auf Großleinwand, Sprachförderung, Computerprojekte, Theaterworkshops, Geschichtenerzählen bis hin zur kompletten Spielpädagogen-Ausbildung).
„Spielen“ in der Schule ist ja nicht sonderlich angesagt, so dass die meisten Teilnehmer nicht aus den Schulen kommen. Es sind dort Sozialarbeiter, Erzieher, Museumspädagogen, Pastoren aber eben keine (kaum) Lehrer. Leider haben nur sehr wenige Kollegen die Wichtigkeit des Spielens erkannt und so ist man dort ein echter Exot.
Ich persönlich finde das verrückt, weil man ja schließlich bis zum Eintritt ins Grundschulalter eigentlich alle Fähigkeiten durchs Spielen erlernt (siehe auch der "spielende Mensch"
http://de.wikipedia.org/wiki/Homo_ludens) Warum sollte das dann plötzlich falsch sein. Spielen steht dem Arbeiten gegenüber und Schule ist Arbeiten. Eigentlich furchtbar!
Wer in Schulen spielen will, der muss ein starkes Kreuz haben: Eltern beschweren sich (ihr sollt doch was lernen), Kollegen necken (na, nichts vorbereitet heute?) und selbst die Kinder sind so auf Schule sozialisiert, dass sich nicht mehr dem Flow des Spielens im Setting Schule hingeben können (Und was soll das?).
Natürlich wird in der Grundschule gespielt, aber in Zeiten komprimierteren Lehrplänen wird oft genau dort gespart. Außerdem: Wo findet sich in der Lehrerausbildung die Spielpädagogik? Weder Bachelor noch Masterstudiengang sehen diesbezüglich etwas vor (falls das geändert werden soll, möchte ich mich hiermit schon einmal als Dozent ins "Spiel" bringen)
So wurde meine vierjährige Ausbildung auch behördenintern bei meinen Anträgen eher belächelt: Ach, geht’s wieder zum Spielen? Selbst auf mein Angebot: Ich stelle mein Wissen allen Schulen in Hamburg zur Verfügung und komme gerne zu unterschiedlichen Fortbildungen, gab es keine Rückmeldungen.
Theaterspielen ist ok, Schach natürlich auch (ist ja eisowieso eher Mathematik), ein Vokabel-Lernspiel meinetwegen und in den Pausen Spielen zur Erholung. Aber alles andere?
Die Folge: Die Spielfähigkeit der Kinder nimmt rapide ab. Sie kennen und können einfach keine Spiele mehr. Während in den fünfziger Jahren noch jedes Kind rund 150 Straßenspiele kannte, sind es heute durchschnittlich fünf. Eine Katatstrophe!
Da sind andere Bildungseinrichtungen schon weiter. Kaum vorstellbar, dass ein Ausbildungsgang der Hamburger Sportjugend ohne Spielen stattfinden könnte. Jeder Sportjugend-Teamer hat ein Spielrepertoire von rund 200 verschiedenen Kreisspielen, alle anderen Spielformen gar nicht mitgezählt und alle sind ständig auf der Suche nach neuen Ideen. Das Feedback der jugendlichen Teilnehmer dieser Kurse ist dabei eindeutig: „Bislang dachte ich, dass Lernen nervt. Spielen ist großartig und ich glaube, dass ich noch nie so intensiv gelernt habe.“
Diese Abneigung zum Spielen unterscheidet Schule von sämtlichen anderen Einrichtungen, die sich mit Kindern und Jugendlichen beschäftigen. So ist dann dort auch das Bild von Schule. Beim Spielmobilkongress im letzten Jahr in Essen, wo man mich als Referent eingeladen hatte, verbrachte ich die Zeit nach gelungenem Spiel damit, viele Abende die Vorurteile über Schule anzuhören: „Was für ein Wunder, dass sich ein Lehrer dafür interessiert...“ Und ehrlich: Eigentlich musste ich den Spielmobilern Recht geben.
Deswegen freut es mich so ungemein, dass das Spielen an der Fraenkelstraße einen großen Wert hat. Nicht nur die Spielkurse von Spielpädagoge Andreas Meyer, Spielen als Teil von LebensArt, unsere Pausenspielothek und natürlich auch das Schachprofil bieten schon viel mehr Spiel als üblich. Wenn wir Lehrer dann endlich unseren lang geplanten Brettspieleabend machen, dann können wir uns zu Recht als „spielende Schule“ bezeichnen.
Aber was hat das mit meinem Reise-Blog zu tun, außer dass das mal gesagt werden sollte?
Ganz einfach: Weil ich das Spielen natürlich von meinen Eltern gelernt habe und es mir hier in den USA wieder klar vor Augen geführt wurde. Mit Memorie und Ähnlichem gings los, dann Mau Mau, die Quartettspiele und Würfelspiele (Von Maxen bis Kniffeln) und später jedes Jahr zu Weihnachten gab es das „Spiel des Jahres“ geschenkt, das wir dann immer am ersten Weihnachtstag vormittags ausprobiert haben. Legendär sind unsere Canasta über Kreuz Familien-Duelle bei denen am Ende immer einer heulend unterm Tisch saß, weil der „dicke Kartenhaufen“ an die Gegner ging. Denn eines war bei uns immer klar: Absichtlich verlor keiner. Mein Vater nicht, als er drei Jahres meines Lebens im Schach gegen mich gewann und ich nicht, nachdem ich in Klasse 5 in meinen Schachverein eingetreten war, bis dieses Duell meinem Vater dann aber irgendwann zu dumm wurde und wir lieber Klabberjass spielten.
Alles wussten: Wenn man bei uns in der Familie gewonnen hatte, dann hatte man gewonnen – ohne wenn und aber!
Und an all das musste ich denken, als am ersten gemeinsamen Motel-Abend mein Vater plötzlich das Kartenspiel rauszog und „Schwimmst du mit?“ fragte. Ich weiß gar nicht wie viele Jahre ich dieses einfache und dennoch unterhaltsame Kartenspiel nicht mehr gespielt hatte. Schwimmen! Früher war es der Klassiker auf all unseren Familienfesten und sogar mein Uropa hat da immer noch mitgespielt. Also schwammen wir. Jeden Abend. Und ließen es uns natürlich auch nicht nehmen, dem ersten Verlierer ein :“Ist doch nur ein Spiel“ zuzusprechen. Einen Satz, den wir allesamt hassen. Aber das gehört bei uns zum Spiel. Sich tierisch freuen, wenn man gewinnt und sich ebenso ärgern wenn man verliert.
Das waren fast nostalgische Spielabende eines von mir fast vergessenen Spieles. Vielleicht nehme ich zur Lehrer-Weihnachtsfeier einfach ein Kartenspiel mit. Kann man ja mal versuchen...
P.S. Nach meiner Rückkehr biete ich, wie jedes Jahr am ersten Septemberwochenende von Freitag bis Samstag in Schönhagen an der Ostsee eine spielpädagogische Fortbildung für die Hamburger Sportjugend an (Darf aber jeder mitmachen). Diesmal: Spielen rund um den Globus. Auf meiner Reise habe ich mir von den Kindern jedes Landes ihre Lieblingsspiele zeigen lassen. Diese und vieles mehr würde ich gerne gemeinsam ausprobieren. Mehr Infos demnächst auf:
http://www.hamburger-sportjugend.de/
Aus Mangel an Schwimmen-Bildern (beim Spielen ist man nun auch wirklich zu konzentriert, ein paar spielende Archivbilder)
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"Spiel-Lehrprobe" bestanden beim Spielfest in der alten Feuerwache Köln
zusammen mit 160 Kindern und meinen
Mitstreitern Ingrid, Gerd, Stefan, Friedemann und MT |
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Martin Legge (Stadtfinder - Spielim öffentlichen Raum)
einer meiner ganz
persönlichen Spielhelden unserer Stadt! |
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Bausteine-Festival in der Aula Fraenkelstraße
zusammen mit der Mobilen Spielaktion |
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riesige Türme |
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Vertrauensspiele bei Kursen den Hamburger
Sportjugend. Hier: Sportassistentenausbildung |
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Teilnehmer meines Workshops "Spi-El das besondere Spielduell"
beim Spielmobilkongress 2010 im Ruhrgebiet
Murmelspiele in der Stadt |
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Wann immer ihr einen von diesen Menschen trefft,
spielt mit ihnen. Mein Spielpädagogikkurs Remscheid 2011: Abschlussfoto. |
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Spielender letzter Abend. Krimidinner mit den Spielpädagogen |
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Legendäres Schachreisenspiel: In einem fernen Land.
Hier auf meiner Geburtstagsjugendreise 2011 |
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Spielen in Sambia
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Ich liebe Fallschirmspiele |