Samstag, 24. März 2012

Der brasilianische Weg - Was für eine Nacht!

Ich habe online ein Tickte für die größte Karnevalsparade der Welt bestellt. Nun bin ich aber nicht mehr sicher, ob ich dabei nicht übers Ohr gehauen wurde. Niemand reagiert auf meine Mail und sagt mir, wie ich denn nun an das Ticket komme. Das Geld ist jedenfalls schon abgebucht.
Also suche ich selbständig die Adresse aus meiner Buchungsmail und fahre einfach hin. Ist nicht weit weg von meinem Hotel. Wenn es dort die Tickets gibt, wird man die Stelle sicher schon an der langen Schlange sehen.
Noch drei Tage sind es bis zur Parade und online habe ich gefunden, dass man ab heute die Karten abholen kann. Die Straße ist leer. Also menschenleer. Müll liegt in großen Bergen. Das ist aber nichts Besonderes.
Die Adresse ist ein Eingang. In ein Haus. Kein Geschäft. Ich zögere. Stehe davor und gucke noch einmal auf meine Adressnotiz. Da geht eine Tür auf. Zwei Asiaten kommen raus. Beide tragen riesige Karnevalshüte. Ich gehe rein. Drinnen Musik und es sieht ein bisschen so aus, als wäre alles schon gelaufen. Im Büro niemand.
Ein Mädchen kommt auf mich zu. Ich zeige ihr meinen Mailausdruck. Sie verschwindet, dann kommt ein Mann. Er führt mich mehrere Stockwerke hoch. Kostüme hängen auf Kleiderständern und Mitarbeiter feiern mit Girlanden um den Hals. Kunden?– keine! Ich bezweifle, dass ich richtig bin. Ich komme in einen Raum. Sechs Mitarbeiter unterhalten sich. Im Hintergrund Pappkartons mit hunderten, nein mit tausenden Briefumschlägen nach Nummern sortiert.
Heute ist Donnerstag – am Sonntagabend findet der Umzug statt. Niemals werden die Tickets ihre Besitzer finden. Wie soll das gehen? Verschicken geht nicht. Alle kommen hierher zum Abholen? Außer mir ist niemand da. Keine Chance. Das Sambodrom wird leer bleiben.
Ich bekomme mein Ticket, mache ein Foto von den Jungs. Der Rest ist mir auch egal. Achnee Stopp! Ich habe doch auch noch ein Shuttle-Ticket gebucht – ich verdamme mich dafür. Hätte ich doch ein Taxi genommen. Der Mann fragt mich nach meinem Hotel. Hat aber keine Ahnung wo das sein soll. Er notiert es sich. Und meinen Namen. Sonntag 20 Uhr. Auf einen Schmierzettelschnipsel – nein, auf die Rückseite eines Schmierzettelschnipsels. 
Sonntag 20 Uhr? Da habe ich notfalls immer noch genügend Zeit ein Taxi zu bestellen. Zum Abschluss schenkt man mir ein Karneval-T-Shirt. Sind ja auch noch genug da.

Es ist Sonntag 20 Uhr. Ich stehe vor meinem Hotel. Ein Shuttlebus fährt vor. Ich steige ein. Mein Name steht auf einer Liste. Innerhalb von 40 Minuten fahren wir an hunderttausend Menschen vorbei, umkurven alle Schranken und bekommen Einlass direkt auf den abgezäunten Parkplatz des Sambodroms. Eine Dame nimmt uns dort in Empfang und führt uns vorbei an langen Schlangen direkt ins Stadion. Sie zeigt uns unsere Sektoren und verspricht uns, dass sie die ganze Nacht an dieser Stelle stehen wird und uns in einen Rück-Shuttle setzen wird. Wann immer wir wollen.
Ich bekomme seit knapp einer Stunde meinen Mund nicht mehr zu. Ich bin schlichtweg sprachlos und stehe völlig baff im Sambodrom. 
Keine Sekunde zweifle ich an ihren Worten. Sie wird dort stehen. 
Das Sambodrom ist fast voll. Am Ende komplett gefüllt. Auf unerklärliche Weise fügen sich Zahnrad in Zahnrad, Puzzleteil in Puzzle. Alles auf brasilianische Art. Aber es passt – bestens. Es ist Karneval in Rio. Wie konnte ich an irgendetwas zweifeln. 35 000 Menschen werden durch das Sambodrom laufen. Morgen nocheinmal genauso viele. Vor jeweils 90 000 Zuschauern.

Ich finde einen Platz und erlebe die spektakulärste Show meines Lebens.

Rund 45 Minuten hat jede Sambagruppe für ihren Durchmarsch Zeit, danach kommt das Fege-Kommando und 30 Minuten später, startet die nächste. Sieben Gruppen stehen heute am Start. Schon die erste überwältigt mich. Dann die nächste. Später wird keine den Titel holen. Die Sieger laufen am nächsten Abend. Ich hätte alle aufs Podest gestellt - alle 35 000. Diese Nacht ist unfassbar und wird ein Leben lang in meinem Kopf bleiben.

Bilder bilden leider nur ab und sagen nicht, gar nichts über diese Stunden aus, die mich

berauschen, verzaubern, verzücken, beflügeln, beschallen, beglücken, erhitzen, becircen, überwältigen, rühren, beseelen und verändern
Mir bleibt nichts anders übrig als, wie alle anderen, der 90 000 Menschen, zu

klatschen, staunen, pfeiffen, tanzen, lachen, raunen, freuen, jubeln, weinen, singen, umarmen, zeigen, feiern und fotografieren

Nach Fünfeinhalb Gruppen kann ich nicht mehr. Es ist 7 Uhr und in meinen Kopf geht nichts mehr rein. Kein Tanzschritt, keine Samba-Note, kein Kostümdetail, kein einziger Eindruck mehr.
Ich wanke zu der Dame, die tatsächlich an der gleichen Stelle steht, mir einen Shuttlebus organisiert und 40 Minuten später bin ich in meinem Hotel.

Was für eine Nacht!

Die meisten Bilder kennt ihr schon (Ich konnte sie damals nicht vorenthalten) und dennoch gibt es hier einige einfach nochmal (eine größere Auswahl findet ihr in meinem Blogeintrag vom Februar http://bisbaldbarmbek.blogspot.com/2012/02/karneval-in-rio.html

Wer den Karnvel 2013 im Sambodrom erleben möchte und eine perfekte Organisation wünscht. Ich buchte meine Karten hier: http://www.rio-carnival.net/


Tiefe brasilianische Entspannung zweieinhalb Tage vor Beginn der riesen Show

Die Ticktes türmen sich in Kartons





Ich hab heut das Glück gesehen









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