Dienstag, 6. Dezember 2011

Von Beckham und Anke...

Eigentlich wollte ich in jedem Land ein Fußballspiel sehen. Bislang hatte es nur für meinen Scout-Auftritt in Sambia gereicht (siehe http://bisbaldbarmbek.blogspot.com/2011/09/auswartsspiel-als-spielervermittler-in.html). Doch nun hatte ich Glück. Das Finale um die Western Conference fand in Los Angeles statt. Ich würde David Beckham sehen können.

Ich bin kein Groundhopper, aber Fußballspiele in anderen Ländern berühren mich. Und schließlich war es auch ein Fußballspiel in einem anderen Land, das mein Leben verändert hatte.

Und Schuld an allem war Anke.

Als wir uns das erste Mal trafen, da hassten wir uns – also ich fand es jedenfalls total behämmert, dass man während man mit jemanden spricht, gleichzeitig telefonieren muss. Sie hatte Markenklamotten an und dies schien ihr auch wichtig zu sein und ich fragte mich wie kann so jemand nur Lehrerin werden wollen? Sie war laut und redete ununterbrochen und hatte irgendwie von Schule gar keine Ahnung. Zu allem Überfluss sprach sie von "Schweinetrögen" beim Anblick der Waschbecken als wir zu der von mir organisierten Fachseminarreise in mein geliebtes Seminarhaus Warwisch fuhren. Kurzum: Als ich Anke, das erste Mal traf, war ich fassungslos.

Und ich weiß, dass es ihr mit mir ebenso ging...

All dies änderte sich schnell. Wie es (der böse) Zufall so wollte, wurde ich ihrer Schule zugeteilt. Sie war nämlich schon ein halbes Jahr weiter. Und ich musste außer Anke auch noch das üble Los ertragen an die Fraenkelstraße zu gehen. Diese Schule hatte doch in Barmbek den schlimmsten Ruf. Doppelt Pech also?
Im Gegenteil! Doppeltes Glück! Die Fraenkelstraße wurde meine schulische Heimat und ich durfte in den folgenden Jahren Zeuge des bröckelnden „schlechten Rufs“ werden und es genießen wie aus dieser Schule in vielen Bereichen ein Vorbild für viele andere wurde.

Und Anke?

Wir durften zusammen die schlimmsten Klassen der Schule unterrichten (damals wurden diese noch standardmäßig den Referendaren zugeteilt). Also H9 in Religion!
Nie wieder hatte ich eine derart wunderbare Teampartnerin. Wir ergänzten uns wie ein zweiteiliges Puzzle im gemeinsamen Unterricht und so gewannen wir mit unserer ersten Referendariats-Hauptschulklasse auch gleich einen der renommierten Preise der Handelskammer und 2500 €. Ich überzeugte sie vom Genuss von Klassenreisen und sie organisierte die Finanzen. Bis tief in die Nacht planten wir am Telefon unseren Unterricht.
Wir rockten und fantasierten. Wir lachten und arbeiteten an unserer gemeinsamen Schule Fraenkelstraße. Wir reisten zusammen nach Neuseeland, wo wir in einem einzigartigen Urlaubsvertrag die Übernachtung in Hotels (Anke darf aussuchen) und Campingplätzen (ich darf aussuchen) regelten und sensationelle Wochen hatten (Umso teurer das Hotel war desto schäbiger der Campingplatz). Als wir einmal über unser Gehalt sprachen, sagte ich: „Wie schön sich endlich alles leisten zu können“ und sie konterte „Hä, was verdienst du denn? Ich habe das Gefühl am Existenzminimum zu leben!“ Das beschreibt es irgendwie. Wir sind so verschieden und dennoch so gleich. Denn wenn wir uns über Lehrer, Schulstrukturen und Ungerechtigkeiten aufregen, dann sind wir eng verbunden in dem Wunsch nach „guter“ Schule.
Und wir träumten von einer gemeinsamen Schulleitung irgendwann an der Fraenkelstraße.
Dass sie dies allerdings später ablehnte, als ich sie fragte, verzeihe ich ihr - natürlich. Wie alles!

Anke muss man alles verzeihen. Weil – und so der korrigierte erste Eindruck – sie einfach eine unfassbar liebevolle Lehrerin ist, die in ihrer Schule Lämmersieth den Kindern einfach guttut. Weil sie einen so wunderbar anderen Blickwinkel auf Pädagogik hat, der mir schon so oft – ohne dass sie es gemerkt hat – Augen öffnete.
Und weil sie es schließlich war, die mein Leben veränderte. Als sie mich im Januar 2010 fragte, ob ich sie nach Sambia begleiten würde, weil sie dort im vergangenen Sommer an einem tollen Projekt gearbeitet hatte, schüttelte ich nur den Kopf: Afrika interessierte mich nicht. Aber Anke ließ nicht locker und köderte mich mit WM-Finaltickets. Zuerst zum Finale dann nach Sambia.
Fußball siegt und so sagte ich zu, auch wenn ich keinerlei Interesse an dem Besuch in irgendeinem Kinderdorf in Afrika hatte. Natürlich bekam sie die Finaltickets. Weil sie immer alles bekam. Weil sie organisieren, weil sie kämpfen kann.
Zehn Tage vor unserer Reise folgte der Hammer. Anke sagte die Reise ab. Sie war schwanger und flugunfähig. Und ich sprachlos. Nun saß ich allein auf Flug-, Finaltickets und einem Ausflug in ein Kinderdorf in das ich nicht wollte.

Ich suchte Ersatz. Aber wer hatte so kurzfristig Zeit eine solche Reise anzutreten? Ich war wirklich schwer genervt. Dann sagte Sandra zu. Die ich kaum kannte. Immerhin nicht alleine.

So fing alles an.

WM-Finale, meine afrikanische Heimat Sambia, das wundervolle Projekt in Limulunga, Sandra.

Und Anke? Die lies sich als Held feiern. Vermutlich mit zwei Handys an jedem Ohr! (und heute weiß ich: Jedes dieser Handys tut Gutes: Finalkarten für Freunde besorgen, Spender für Schulbücher ihrer Klasse auftun, Paten für Limulunga finden und Termine für die nächsten Veranstaltungen organisieren)

Nun ist ihr Sohn Neo da und damit hat sich das Leben als liebevolle Mutti natürlich komplett geändert. Jedenfalls fast: Ich wette, Neo trägt Strampler von Versace.

Und damit sind wir ja irgendwie auch beim Glamour-Boy Beckham. Ich hatte also ein Ticket ergattert. Was allerdings nicht schwer war, denn das Finale war nicht ausverkauft und so machte ich mich in guter deutscher Finaltradition zwei Stunden vor Spielbeginn auf zum Stadion um bei Stadionwurst und Cola die unvergleichliche Fußballatmosphäre zu schnuppern.
Ich wurde nicht von Fangesängen empfangen und auch kein Bratwurstduft kitzelte meine Nase. Als ich am Stadion ankam, war es zu!

Es war – um es einmal ehrlich zu sagen – niemand da. Außer mir. Immerhin bestätigte ein Parkplatzwächter, dass das Finale heute stattfinden sollte. Das Finale! Los Angeles Galaxys gegen Salt Lake.

Und ich stand doof da. Keine Wurst, keine Fans und mir war kalt. Ich wartete. Eine Stunde. Die ersten Fans von Salt Lake erschienen und der Fan-Shop öffnete. Das Stadion blieb geschlossen und ich musste eine weitere halbe Stunde warten, ehe es eine halbe Stunde vor Spielbeginn öffnete.

Ich besorgte mir Popcorn und vergaß mal wieder, dass diese in den USA gesalzen sind. Die Cola kostete 20 Dollar. Aber immerhin strömten immer mehr Menschen in das Stadium. Meine Facebook-Umfrage für welches Team ich sein sollte, war mit überwältigender Mehrheit 2:0 für Galaxy ausgegangen. Und auch wenn Isi noch ein glühenden Statement für Salt Lake schrieb („schau dir nur das bescheuerte Maskottchen von Galaxy an. Ein aus dem Weltall gefallener Frosch“), entschied ich mich gegen seinen Fußballsachverstand und für Galaxy.
Zwanzig Minuten nach Spielbeginn kamen die Teams zum Warmlaufen und ich sah Beckham. Pünktlich eine Stunde nach Spielbeginn ging das Spiel los. Das Stadion war nun gut besucht und es wurde sogar angefeuert. Besonders begeisternd war allerdings das Galaxy-Weltall-Maskottchen, das sich von den Fans durchs ganze Stadion tragen ließ. Ich hatte mehrfach Angst, dass es dabei in den Stadiongraben fallen würde und eines ganz ungalaktischen Todes sterben würde.

Das Spiel war einseitig und Beckham großartig. Ich habe seit Kaltz 1982 nie mehr derart gefährliche Flanken gesehen. Jede Ecke eine Brandbombe. Jeder Schuss ein Flatterball und unkalkulierbar.

Noch stärker allerdings fand ich persönlich den irischen Nationalspieler und Rekordtorschützen Robbie Keane und wenn mir jemand (analog zu Sambia) seine Telefonnummer in der Halbzeitpause zugesteckt hätte, ich hätte alles gegeben in Hamburg Frank Arnesen ausfindig zu machen und ihn von diesem Transfer zu überzeugen.

Mein Gott was hat der mit den armen Gegenspielern alles angestellt.

Ich vergnügte mich mehr als vorher gedacht oder um es deutlich zu sagen: ausgezeichnet. Es gab viele Tore. (Endstand 3:1) Schöne Spielzüge. Eine gute Atmosphäre angepeitscht von einem galaktischen Maskottchen auf Droge. In der Halbzeitpause neue Popcorn (diesmal wusste ich ja, dass sie gesalzen sind). Dazu Feuerwerk und Pokalübergabe. Außerdem war die Abfahrt der rund 30 000 Zuschauer so gut geregelt, dass sich alleine dieses Schauspiel lohnte.

Ich verzichtete dennoch auf den Kauf eines Galaxy-Trikots. Freute mich aber über den wunderbaren Fußballabend.

 
P.S: Einen Tag später erfuhr ich beim Frühstück, dass am Vortag die Zeit in Kalifornien um eine Stunde zurückgestellt wurde. Was in meinen Augen nachträglich eine durchaus einleuchtende Erklärung für das späte Warmmachen der Teams zu sein scheint.

P.P.S. Nur um es einmal schriftlich festzuhalten. Im Interkontinentalen-Vergleich führe ich im Minigolf gegen Anke mit 3:0 (Ich siegte in Singapur/Asien, Auckland/Neuseeland und Geesthacht/Europa). Sie drückte sich zudem vor den Auseinandersetzungen in Nord- und Südamerika durch das Verzichten auf die gemeinsame Weltreise. Wie ich sie allerdings kenne, wird sie durch den Bau einer Minigolfanlage in der Antarktis das 3:3 noch anstreben wollen. Wir haben ja noch das halbe Leben vor uns!


WM Finale 2010 in Johannesburg. Ohne Anke.

Home Depot Center Los Angeles

niemand da!

ich hab ein Ticket!


Natürlich! Miss Galaxy-Wahl vor dem Spiel!


Warmmachen

Schiedsrichter machen sich warm und undenkabr in Deutschland:
werden gefeiert!

LA ultras! Die können auch Klangteppich!

Er ist da!

Er/sie/es auch!

Feuerwerk schon vor dem Spiel!

Das 1:0

Das 1:1 (Fotoglück!)


Jeder Freistoß ein Genuss!

Siegerstimmung!

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