Ich hasse es, mich zu beschweren. Ich mag es lieber, wenn alles gut ist. Wenn die Leute miteinander gut sind und sich eben nicht beschweren. Jedenfalls nicht über nichtige Dinge. Also mache ich es meistens nicht. Ich esse im Restaurant das gebrachte Menü obwohl ich ein anderes bestellt habe. Ich ertrage unfreundliche Bedienungen ohne den Chef zu sprechen. Ich sage nichts, obgleich der Mensch vor mir in der Schlange sich sehr eindeutig und dreist vorgedrängelt hat. Und ich gehe auch nicht in den Schuhladen zurück obgleich mein teurer Anzugschuh schon nach einem Monat seine Sohle verliert. Weil ich das einfach nicht mag, weil es mir irgendwie wichtiger ist, in Frieden zu leben und weil ich weiß, dass alle Fehler machen und doch vieles ehrlicher Weise gar nicht so weltbewegend ist und man einfach mal drüber hinweglächeln kann.
Ich weiß, dass das doof ist.
Mich ärgert allerdings, dass man mit Beschwerden schnell weiterkommt. Wer sich beschwert, bekommt ein besseres Essen, einen besseren Platz, einen guten Service und in vielen Fällen sogar sein Geld zurück.
Das ist doch gemein. Noch nie hat eine Bedienung im Restaurant es honoriert, dass ich den nahezu ungenießbar versalzenen Fleischbrei runtergewürgt habe und auf die Frage: „Hat´s geschmeckt?“ auch noch ein „Ja, Danke!“ rausbringen konnte. Noch nie ist sie zu mir gekommen und hat gesagt: „Sie waren so tapfer und freundlich, haben unseren Fraß anstandslos gegessen und sich nicht einmal beschwert. Danke! Dafür laden wir sie zu diesem Essen ein!“
Dabei hätte ich dieses einige Male verdient gehabt.
Selbst Schuld?
Ich weiß nicht. Auf der Galapagos-Tour fiel einen Tag der Generator aus. Die Crew organisierte, dass wir mit dem Beiboot zum Nachbarschiff gebracht wurden und dort Duschen konnten. Das fand ich total nett. Und während ich mich noch darüber freute, fragte mich ein mitreisendes deutsches Paar: „Weißt du, was das uns nach Frankfurter Tabelle bringt?“
Später erfuhr ich, dass diese Tabelle Auskunft über Reisepreisminderungen bringt. „Man muss nur alles dokumentieren. Ist ganz einfach!“.
Irgendwie hat man ja das Recht darauf. Ich mag und mach es trotzdem nicht.
Einmal hatte ich mit einem Mietwagen einen Strafzettel eingefahren. Ich sollte nicht nur 50 Euro Strafzettelgebühr begleichen, sondern auch noch 50 Euro Verwaltungsgebühr, dass fand ich so gemein, dass ich meine Freundin Anke fragte. Sie rief sofort bei der Autovermietung an, machte die Menschen dort zu Schnecke, so dass ich am liebsten noch 50 Euro mehr als Wiedergutmachung überwiesen hätte. Am Ende des Gesprächs, brauchte ich allerdings gar nichts mehr zu bezahlen. Nicht einmal die berechtigte Strafzettelgebühr. Zwei Tage später hatte ich dazu noch die goldene Mitgliedskarte der Autovermietung im Briefkasten.
Das ist doch gemein!
Nun war ich allerdings an der Reihe. Ich saß im preiswertesten Hotel von Los Angeles (25 Euro die Nacht) alleine in meinem Zimmer. Ich hatte dieses Hotel ausgewählt, weil es erstens preiswert und zweitens über Highspeed-WiFi verfügen sollte. Ich wollte drei Tag lang meinen Blog pflegen, Skypen und mich einfach über die Welt im Internet informieren. WiFi funktionierte aber nicht.
Ich saß sprachlos vor meinem Rechner und probierte alles. Dann versuchte ich mich zu beruhigen, dass das ja nun doch nicht so schlimm sei. Aber, ich konnte mich nicht betrügen: Ich fands schlimm.
Also machte ich mich auf zum freundlichen Rezeptionisten und schildert mein Problem. Ich würde so wahnsinnig gerne ins Internet und ob er mal nachgucken könne, ob da vielleicht etwas nicht in Ordnung sei. Ich lächelte noch ein bisschen irre und verschwand dann wieder auf meinem Zimmer. So richtig zufrieden war ich mit meiner „Beschwerde“ nicht. Irgendwie fehlte mir selbst etwas der Nachdruck. Nachdem sich eine Stunde nichts getan hatte und ich mich in dieser Zeit ein wenig hochgefahren hatte, machte ich einen zweiten Anlauf.
„Ich müsste dringend mit meiner Firma kommunizieren und bräuchte die nächsten drei Tage das Internet. Ich wolle wichtige Dokumente nach Deutschland mailen!“
Er sah mich an und versprach, den Router neu zu starten. Kein Problem, es würde sofort funktionieren.
Ich ging in mein Zimmer und tatsächlich, es funktionierte. Durchatmen! Zehn Minuten. Dann ging wieder nichts mehr. Nun war ich genervt. Also, so wie ich es in solchen Situationen sein kann.
Und ich ging ein drittes Mal an die Rezeption. „Ich habe dieses Hotel wegen des Wifis gebucht. Ich brauche das Internet. Nicht zehn Minuten, sondern immer. Hier ist mein Rechner. Es geht nicht. Wenn es nicht sofort funktioniert, will ich mein Geld zurück und ich suche mir ein andere Hotel!“
Uff, hatte ich das letzte eben wirklich gesagt? Ich lächelte vorsichtshalber einmal entschuldigend und schob ein: „Ist sehr wichtig für meine Firma“ hinterher.
Nun erlebte ich allerdings was ich so oft beobachtet hatte. Der Rezeptionist entschuldigte sich vielmals, bot mir einen Tee an und begann zu telefonieren. Er erzählte mir, dass das Problem schon länger bestünde. Er hätte einen Freund im Nachbarhotel und ich könnte einfach dahin umziehen. Ganz unbürokratisch, gleicher Preis. Dort das Frühstück sei sowieso viel besser.
Ich bedankte mich überschwänglich und packte meine Sachen. Es war aber kein Nachbarhotel zu sehen. Nur das Hilton war auf der anderen Straßenseite. Also ging ich zurück zur Rezeption und ließ mir den Weg erklären. „Über die Ampel, direkt da. Es heißt Hilton“
Ich taumelte in die Lobby des Hiltons, wo mich ein oberfreundlicher Portier empfing. „Sie haben dort drüber Internetprobleme. Hier geht alles bestens. Sie haben ein schönes Zimmer. Bezahlung wurde ja schon drüben geregelt. Wir haben sowieso ein paar Zimmer frei. Kein Problem. Schönen Aufenthalt.“
Ich fuhr in den dritten Stock. Betrat mein Zimmer. Ließ mich auf das Sofa fallen und surfte im Internet.
Ich saß ich im Hilton.
Es war wunderschön.
Es war außerordentlich preiswert.
Das Frühstücksbuffet war überragend.
Das Internet war unfassbar stabil und schnell.
Und alles wegen meiner Beschwerde.
Irgendwie fand ich das doof.
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