Mein Hotel lag etwas außerhalb des Altstadtkerns so dass ich für jeden Besuch im Zentrum Taxi fahren musste. Eine Taxifahrt in Südamerika ist ein Abenteuer. Es gibt im Prinzip kein Taxameter und wenn es eines gibt, zählt es nicht. Es ist also unbedingt wichtig, die Gunst der Fahrer für sich zu gewinnen, da der Fahrtpreis zwischen einem und 20 Dollar schwankt und zwar egal welche Strecke man zurücklegt. Das ist deshalb besonders schwierig, weil ich ja kein Spanisch kann.
Die Taxifahrer in Quito hupen. Also nicht einfach einmal hupen, sondern nahezu durchgehend. Es scheint als würde das ganze Verkehrssystem nur deshalb nicht zusammenbrechen, weil der Schall lenkt. Taxifahrer sind also ein bisschen wie die Delfine der Straße.
Nachdem ich zwei Tage das Hup-Konzert der Fahrer beobachtet hatte, wurde ich offensiv und begann mich zu interessieren: Warum hupen sie? (also genau genommen fragte ich nach jedem Hup-Vorgang: why?). Die Antwort war meist: idiota! Also half ich meinen Taxifahrern. Nach jedem Hupen schrie ich laut: „idiota!“ . Manchmal schrie ich auch einfach so „idiota!“ und zeigte auf ein beliebiges Auto. Da alle gleichermaßen die Verkehrsregeln missachten, traf es stets die richtigen. Auf mein Zeichen hupten dann die Fahrer. Diese Manöver drückten stets den Fahrpreis. Erst nach Rückkehr von den Galapagos-Inseln hatte mich ein besonders vertrauter Fahrer allerdings in das komplette Geheimnis eingeweiht: Jeder dritte „Hup“ gilt nämlich gar nicht einem „idiota!“, sondern einem „chica“. Einem hübschen Mädchen. Daraufhin verfeinerte ich mein Beifahrerdasein und passte höllisch auf, dem jeweiligen Fahrer auch wirklich jeden „Idiota!“ und jedes „Chica“ lauthals zu zeigen. Wenn er nicht sofort reagierte, hupte ich einfach selbst, indem ich auf sein Lenkrad klopfte. Wir hatten auf diese Weise viele unterhaltsame Fahrten, lachten viel und übertrafen uns ständig gegenseitig im Wettbewerb die meisten „Idiotas“ und „Chicas“ aufzuspüren. Auf diese Weise war meine Fahrt aus der Stadt zum Hotel meistens bei einem Dollar angesiedelt, wo ich anfangs noch rund fünf Dollar gezahlt hatte.
Später in Peru wurde es noch einfacher. Ich hatte mir diese Taktik schon im Flug aus Quito nach Lima zurecht gelegt. Ich stieg in den Wagen, begrüßte den Fahrer und sagte: Peru! (Daumen nach oben!) Dann (mit Daumen auf mich): Hamburgo! Die Augen der Fahrer wurden schon bei diesem Wort meistens groß. Dann holte ich zur emotionalen Umarmung aus: Paolo Guerrero! Das öffnete alle Türen und drückte den Fahrtpreis ins Minimale. Wenn ich dann auch noch auf Pizzaro schimpfte, der nach Meinung der meisten Peruaner nichts für sein Land gibt und nur für Kohle spielt und Zambrano ins Spiel brachte, war die Schlacht ums nicht vorhandene Taxameter gewonnen. Ich liebte diese Fahrten in denen niemand etwas richtig verstand und nur durch Gestikulieren und dem Einwerfen von Schlagwörtern kommuniziert wurde. Chile (pfui!). Hamburgo (Daumen hoch!). Farfan (Kopfwägen). Brasilia 2014 (Faust ballen). Spanien (Verachtung). Deutschland als nächster Weltmeister (Übereinstimmung!) und natürlich Paolo Guerrero (Superscorer - Daumen hoch!)
Ich bedanke mich bei allen „idiotas“ den hübschen „chicas“ und natürlich bei Paolo Guerrero für die wunderbaren Taxifahrten. Und wenn ich ihn irgendwann einmal treffe (also ich mein jetzt nicht mit der Flasche), dann lade ich ihn zum Coca-Tee ein.
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