Dienstag, 30. August 2011

Tschüss Namibia, hallo Botswana, tschüss Botswana, hallo Namibia, tschüss Namibia, hallo Botswana

Der Wecker klingelt, die Sonne färbt der Horizont ohne bislang selbst auf der Bildfläche zu erscheinen. Kurzum: Es ist saufrüh! Besondere Tage erfordern besondere Maßnahmen, z.B. Aufstehen vor dem Sonnenaufgang.
Heute wagen wir ein Abenteuer und wollen die Grenze von Namibia nach Botswana überqueren und zwar an einer der unbequemsten Stellen: Von Tsumkwe, das selbst nicht gerade ein überbordendes Touristenzentrum ist (siehe den Eintrag über die San), 60 km östlich über eine Schotterstraße bis zu einem Grenzübergang, der zwar auf Karten eingezeichnet und gleichwohl völlig unklar ist, warum dort eine Übergang sein soll.
Nach dem Schotter warten mutmaßlich rund 160 km tiefe Sandpiste bis es wieder auf Asphalt (oder zumindestens gefestigten Schotter führt) und danach weitere 200 km rund um das Okavango-Delta bis zur nächsten echten Stadt Maun.
Also eine echte Herausforderung, da die Tage in Botswana eher kürzer denn länger werden, schließlich wird die Uhr auch noch einmal eine Stunde vor gestellt und der Sonnenuntergang wartet um 17.30 Uhr auf uns.

Um 9 Uhr sind wir tatsächlich am Grenzübergang oder was einer sein könnte. Ein Stoppschild und 50 Meter dahinter ein verschlossenes Tor in einem doppelten Maschendrahtzaun.

Der Winkemann und das Niemandsland

Wir rollen langsam auf den Zaun zu und ein freundlicher Mensch winkt uns zu. Als wir ihn erreichen, schickt er uns ins Grenzhäuschen. Dort ist die Stimmung gereizt. Wir hätten das Stoppschild missachtet. Illegaler Grenzübertritt im Prinzip. Unser Argument, dass der Mann am Zaun uns gewunken hätte, wird abgetan: Winken kann schließlich jeder. Frostige Stimmung.
Wir füllen geschätzte 30 Minuten Formulare aus, dann ist es soweit: Wir dürfen in den Bereich des Niemandlandes.

Desinfizierung der Schuhe ist wichtig! Im Wasserbett
 Dort wartet schon das winkende Männchen mit einem freundlichen Vertreter der botswanischen Seite, der wie Bill Cosby aussieht (nein, eigentlich sind wir sicher: es ist Bill Cosby.
Wir müssen aussteigen, Milch austrinken, durch ein Wasserbett laufen, unser Auto wird ordentlich desinfiziert, dann öffnet sich das Tor und wir sind am botswanischen Grenzstand.
Dort ist die Stimmung lustiger. Man ist sich sehr bewusst, dass hier nicht der Nabel der Welt ist.
Im Grenzbuch in dass wir uns eintragen, finden sich gestern zwei Grenzübergänge, vorgestern drei und auch sonst nie mehr als vier. Wir sind vier! Die Grenzer feiern (vielleicht errechnet sich ihr Gehalt nach Grenzübertritten) Heute wird ein Rekordtag! Wie rekordverdächtig, werden wir eine halbe Stunde später erfahren, nachdem auch aufs botswanischer Seite Formulare ausgefüllt, Eintragungen gemacht und unsere Bescheinigung der Autovermietung für einen Grenzübertritt gecheckt wurden.
Grenzhäuschen in Botswana
Nur noch kurz die Bescheinigung checken. Lächelnd klappe ich die Motorhaube auf und schaue auf eine runzelnde botswanische Grenzstirn. Dies ist nicht das bescheinigte Auto. Die Motornummer stimmt nicht. Ich sehe mich im Knast, aber es kommt schlimmer. So können wir nicht einreisen. Einzige Chance: Wir brauchen ein Fax der Autovermietung. Diese Grenzstation hat nicht einmal Handy-Empfang geschweige denn ein Faxgerät. Also. Ausreise aus Botswana.
Die komplette Prozedur rückwärts. Weitere 30 Minuten. Zurück ins Niemandland zu Bill Cosby und seinem winkenden Kumpel. Wenigstens die Milch ist schon ausgesoffen.

Durchs Wasserbett gewatet und dann ab zum namibischen Häuschen.
Die beiden sitzen immer noch völlig unverändert auf ihren Plätzen. Starren uns nun aber entgeistert an. Diese Art Grenztourismus ist ihnen unbekannt. Vorsichtig fragen wir nach einem Faxgerät. Mitleidiges Lächeln. Vielleicht in Tsumkwe, Polizeistation.
Vorher allerdings Einreise nach Namibia.
Mir kommt der Film in den Sinn, wo jemand im Transitbereich in London Heathrow gefangen ist. Meinetwegen. Aber im Niemandslandstreifen zwischen Namibia und Botswana, neben dem Chemikalienwasserbett und jeden Tag Bill Cosby?
Kein Handy hat Empang ehe meines ca. 8 Kilometer
vor Tsumkwe seinen Balken aufzeigt
Aber wir dürfen wieder einreisen, denn das Auto ist namibisch. 2 Stunden haben alle Grenzformalitäten gedauert. Es ist 11 Uhr und wir in einer Art Dauerdejavu. Zurück nach Tsumkwe – zwischendurch hat mein Handy Empfang und ich rufe bei der Autovermietung an: „Ohja, da ist ein copy-paste-Fehler passiert – die Nummer gehört einem anderem Auto“ und „gerne faxt man uns die neue Bescheinigung wohin auch immer!“ - wohin auch immer. Das ist die entscheidende Frage, die wir uns in Tsumkwe stellen.
Unser Anliegen in der örtlichen Polizeistation vorgetragen, fördert Achselzucken zu Tage – als wir hinreichend hilflos aussehen, bringt man uns zur Polizeichefin. Die isst gerade Mittag und ist gar nicht begeistert. „Seit drei Tagen haben sie keinen Empfang – weder Telefon noch Fax, aber wir können es ja mal probieren“
Sie schlurft zum Gerät. Daneben ein nagelneuer Laserdrucker. Ich werde hektisch, wenn das Fax nicht geht, könnte ich mit meinem W-Lan-Stick und meinem Netbook hier etwas ausdrucken „Kein Toner“ werden meine Gedanken schnell ins Fantasiereich verwiesen und das Fax – es geht wirklich nicht. „Wer könnte sonst noch...“ versucht Jana anzusetzen „niemand – wenn die Polizei keinen Empfang hat, dann hat rund um Tsumkwe niemand Empfang“. Es ist 12 Uhr und wir verzweifelt. Wir versuchen es im örtlichen Krankenhaus, wo man uns nicht einmal auf unsere Frage antwortet, so absurd scheint die Idee zu sein, dann fahren wir zum Campingplatz, der uns morgens um 8 Uhr verabschiedet hat. Wir erzählen unser Dilemma. Ein Königreich für ein Fax, für einen Drucker oder für eine Idee. Sie haben Fax, Internet, Telefon – Verbindungsprobleme? Nein! Wir sind drei Königreiche schuldig!
Uns kommt die Idee die örtliche Polizei zu überfallen. Hilfe können sie ja nicht rufen. Drei Minuten später halten wir das Dokument in den Händen und Sandra vergleicht es lieber noch einmal mit der Motornummer, ich finde es überflüssig, muss dafür Sandras Rechthaberlächeln ertragen und auch die Autovermietung anrufen um auf den winzigen kleinen Zahlendreher aufmerksam zu machen. „Ach, sie nehmen´s aber genau – wir schicken ein neues Fax“. Die Autovermietung rückt in der Überfall-Liste knapp vor die Polizeistation.
Um 13 Uhr sind wir wieder an der Grenzstation. Halten am Stoppschild. Lächeln die Beamten an,die es sich natürlich nicht nehmen lassen zu der üblichen Prozedur, nun auch ihrerseits den Motor zu prüfen. Vermutlich traf die Schmach, diesen Fauxpas übersehen zu haben von botswanischer Seite hart.

Dann werden wir vom Winkemann und Billi wie alte Freunde empfangen. Wir staken durchs Wasserbad und Jochen merkt an, dass wir wenigstens noch eine Milch in Tsumkwe hätten kaufen können. Dann öffnen sich alle Tore und wir kehren in die heimatliche botswanische Grenzhütte, wo man uns mit offenen Armen empfängt; Rekordstimmung: Alles zusammen, hin und zurück: zwölf!
Acht Grenzübertritte an diesem Tag auf die eine Seite, vier auf die andere und alle haben wir erledigt! Ein Rekord für die Ewigkeit.
Der Zollbeamte versucht mir noch Sandra abzukaufen - „I like she!“ Aber bevor ich in weitere Verhandlungen um Hühner und Esel einsteige, klappe ich die Motorhaube auf und zeige die richtige Motornummer. Botswana – das Abenteuer kann starten.

Wir brauchen drei Stunden für die Buckelpiste durch tiefe Sandpassagen, die wir gelassen ertragen, danach drei weitere Stunden bis Maun. Um 20 Uhr sind wir da. Die letzten zwei Stunden sind wir durch die Dämmerung und Dunkelheit gekurvt und einige Male Eseln und Ziegen ausgewichen, die in diesem Land suizidal auf die Straße laufen.
Ich weiß: Man soll im Dunkeln in Afrika nicht mit dem Auto fahren - für diesen Tipp gehts ganz nach oben auf der Überfallliste.

Vierbettzimmer in Maun - so kann Glück aussehen
In Maun nehmen wir uns ein Viererzimmer, auf Zelten haben wir keine Lust mehr und Jochen und ich haben den Tag schnell verarbeitet: Im Fernsehen läuft Fußball.

Ganz in der Nähe soll das einzige Vierländereck der Welt liegen. Wir haben ein ganz anderes heute gefunden. Namibia-Botswana-Namibia-Botswana – und bewacht wird es von zwei mürrischen namibischen und einem sehr exakten botswanischen Grenzer sowie einen schwer verliebten Zollbeamten. Wer mal in die Gegend kommt, möge bitte Bill Cosby von uns grüßen und ihm eine Milch mitbringen. Diesen Text schicke ich übrigens per Kopie als Fax an die Polizeistation in Tsumkwe.


Das Okawango-Delta gilt als mückenarm







Wer nachts fährt, hat viele Freunde...

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