Dienstag, 25. Oktober 2011

Was ist eine echte Weltreise?

Mein Zelt steht. Es ist klein, aber zum wiederholten Male preise ich die kleine Plastikhaut, die über Untergang und Wohltat entscheidet. Nicht einmal ein Milimeter trennt mich vom Wind, vom Regen, sogar vom Schnee in meinem Zelt. Zusammen mit meiner Evazote-Isomatte und meinem Fjällräven-Schlafsack ein unschlagbares Gespann und zwar überall auf der Welt. Mit ihnen bezwang ich die Minus 20 Grad im winterlichen Abisko-Nationalpark, ich trotzte dem Orkan auf dem Inari-See und ich durchquerte Neuseeland bei Minusgraden in unberührter Natur.

Ein transportables Zuhause für die schönsten Flecken der Welt.
Ich sitze am See, vor mir brennt mein Lagerfeuer. Die Nudeln im Topf auf der Glut, meine Kerze spendet das notwendige Licht und wenn der Aku leer ist, dann ist Schluss mit Blog für heute – welch Luxushotel könnte diesen Moment gerade schlagen?
Netbook als Romantik-Killer? Es gibt da ja auch so ne Etikette bei „Travellern“, die eine eingeschworene Gemeinschaft bilden.
Nur weil man Lagerfeuer, Sonnenuntergänge und Zeltnächte liebt auf mein liebstes Schreibgerät verzichten? Jeder reist auf seine Art. Ich genieße die Freiheit zu machen was ich mag. Nicht Lagerfeuer oder Netbook, sondern Beides. Jedes zu seiner Zeit. Und falls ich Lust habe, sogar beides gleichzeitig!
Gestern traf ich einen „Traveller“, der mir sagte, dass es im Grunde keine Weltreise sei, weil ich ja viel fliege und auch mit Mietwagen umherreise. So richtig wäre es doch erst, wenn man per Rucksack und zu Fuß, per Anhalter oder Überlandbussen reise. Erst hat mich das nachdenklich gemacht. Keine Weltreise? Was mache ich denn dann?
Und gilt eine Reise erst als Reise, wenn man aufs Fliegen, aufs Internet und vielleicht auch aufs Duschen verzichtet? (er jedenfalls machte den Eindruck, dass er insbesondere aufs Duschen verzichtete)
Zum Glück mache ich meine Reise und jeder darf einfach seine Reise machen. Zu meiner gehört ein digitales Tagebuch und ein gutes Menü im teuersten Restaurant, wenn ich keine Lust auf Nudeln vom Feuer habe.
Und dazu gehört auch, dass ich nach zu vielen Zeltnächten im Regen in ein Luxushotel gehe, wenn gerade kein anderes frei ist. Und ich zahle dann sogar manchmal mit Kreditkarte, um an meine warme Dusche und ein flauschiges Bett zu kommen. Manchmal sogar, wenn es nicht regnet.
Das ist zwar sicherlich auch nicht das richtige „Travel-feeling“, ist aber irgendwie geil!

Da ich mein geliebtes Tatonka-Zelt nicht um die Welt schleppen kann, kaufte ich wunderbaren Ersatz.
 Für 150 Dollar war mir dieses Zelt der Mountain-Equipment-Kompanie ein
echtes Zuhause auf all meinen (und unseren) kanadischen Wegen.



Nichts geht über eine Mahlzeit vom Feuer

 
Sonnenuntergang, Lagefeuer, Zelten
Nichts kann diese Momente schlagen



Nudeln mit Soße (Zweiplattenherd)


Frühstück: Spiegelei und Tee (ich liebe Feuertee mit unverfälschten Rauchgeschmack)


Zelt (als Wäscheleine), Tisch (ebenfalls Wäscheleine) als Standard auf kanadischen
Campingplätzen, Tagebuch (hinten), Netbook (zu jeder Zeit)



Grillabend

Ich liebe Zelten, aber es soll mir keiner erzählen,
 dass eine heiße Dusche und ein gutes Restaurant dem Vergnügen einen Abbruch tun.


Heute bleibt das Feuer aus. Lust auf Grillhähnchen und Baguette
(auch nicht Traveller-stilecht, aber auch lecker)



wo kein Hotel mehr zu finden ist

Direkt neben dem Zeltplatz am St. Lorenz Strom lag ein fantatisches Restaurant
(Entenragout)



Mit unfassbarer französischer Küche


Stilecht und ein Gaumengenuss der besonderen Art

Wer mal dort ist, darf es sich nicht entgehen lassen, es zu besuchen


Baked Beans aus der Dose vom Feuer am nächsten Tag.
Ich liebe es!



Montag, 24. Oktober 2011

Unvergessene Farben - Indian Summer

Ich bin in Kanada. Und egal wie oft meine Reisepläne in den letzten Jahren wechselten. Kanada stand zu Beginn und auch jetzt noch auf der Liste und das lag nicht nur an meinem geografischen Hauptseminar "Kanada"  in der Uni, bei dem ich über "das kanadische Nationalparksystem" mehr recht als schlecht referieren durfte.

Es ist wirklich nicht so, dass sich Lehrer beklagen dürfen über zu wenige Ferien. Und dennoch: Den Indian-Summer in Kanada zu besuchen, bleibt schwierig. Diese überwältigende Blätterfärbung kommt immer zwischen September und Oktober und bleibt in seiner Höchstform nur wenige Tage (Der Algonquin-Nationalpark hat extra dafür eine eigene Homepage, die passgenau „now peak“ ansagt).

Und da haben wir eigentlich keine Ferien (und das machen eben auch sechs Wochen Sommerferien nicht wett), die eher passgenau dann beginnen, wenn der Zauber meistens schon vorbei ist.

Also musste ich in meinem Sabbatjahr das Farbenspiel erleben. Das wusste ich schon, als ich es im Jahr 2004 beantragte.

Und trotzdem verpasste ich den „now peak“ im Algonquin-Nationalpark zweimal. Bei meiner ersten Durchreise in Richtung Quebec war es ein bisschen früh (nearly peak) und als ich Sandra (in ihren Ferien) abholte, war der Preak gerade vorbei. Was allerdings nichts an der unvorstellbaren Leuchtkraft der Farben änderte (außerdem durften wir ihn dann noch kurz vor Toronto erleben)

Aber in den Laurentiden in der Provinz Quebec war ich dafür genau richtig.

Und nun liebe Freunde, bevor ich nur einen weiteren Bericht über die magischen vier Wochen Kanada schreibe, die Begründung warum man im Indian-Summer in den Osten Kanadas reisen sollte.








































Gold und Gewürze


Funkelnde Auslagen am Gold-Souk
 In Dubai kauft man ein. Besonders gut kauft man Gold oder Gewürze oder Beides. Dazu gibt es große Märkte. 160 Goldläden warten am Goldsouk auf Käufer. Der Gewürzsouk ist kaum kleiner und duftet himmlisch arabisch und auch hier weiß man wie man Käufer fängt...

Und köstliche Gerüche auf dem Gewürz-Souk
 (bei 40 Grad im Schatten übrigens)
Nun bin ich ja da. Ein leichtes Opfer. Insbesondere bei Gewürzen – da stehe ich drauf (und kaufe auch gleich ganz viele Tüten - besonders Safran als ein Verkäufer das Backebacke-Kuchen-Lied anstimmt "Safran macht den Kuchen gel(b)" - das rührt mich irgendwie. Also kaufe ich und frage mich beim bezahlen, ob ich nicht vielleicht doch Gold gekauft habe. Aber egal. Ich mag einfach Gewürze, die unsere Welt so wunderbar geschmacklich abbilden.

Begeisterte mich mit deutschem Kinderliedgut
Da musste ich einfach Safran kaufen
Gold nicht so. Hab ich eigentlich noch nie gekauft und sehe vermutlich äußerst befremdlich aus, bei meinem Anblick der arabischen Damenwelt, die Goldschmuck in großen Beuteln aus den Läden schleppt. Gold ist hier eine wichtige Wertanlage und eine entscheidende Mitgift bei Hochzeitsplänen. Man lege sich also genügend Kilo an um den geeigneten Mann zu finden (oder zu überzeugen).
Aber wo ich nun schon mal da bin, packt mich das glitzern der Auslage doch. Ich staune von Schaufenster zu Schaufenster und kann meinen Blick erst dann abwenden, wenn wieder ein geschäftstüchtiger Mensch von Innen an die Scheibe klopft und das internationale „Komm rein, Dich haue ich übers Ohr“-Zeichen macht oder er gar plötzlich draußen vor seinem Laden steht und mir sein „good Preis, good Preis“ entgegenschmettert.
Nach dem 20 Geschäft kann ich mir vorstellen ein goldiges Schmuckstück zu erwerben, nach dreißig weiteren bin ich sicher. Ich will! Aber was? Und vor allem: was kostet das? Nur eines ist sicher. Für wen! Und deswegen muss es schön sein. Das sind Momente wo man sich nach einem Berater sehnt. Noch besser: eine Beraterin. Dana könnte ich sagen: „Ich will das und das ausgeben“ und am Ende würde ich etwas ganz Wunderbares in den Händen halten. Das wäre schön.
Aber das Leben ist kein Ponyhof - es ist ein Goldmarkt! Und hier stehe ich – allein mit meinem Vorsatz und ohne jegliche Ahnung was Gold und Schmuck und alledies überhaupt kostet.

Plötzlich stehe ich in einem Laden. Magisch hingezogen von einer wunderschönen Kette. Drei arabische Verkäufer hinterm Ladentisch. Es ist also ein ungleiches Duell, das mir allerdings im Laufe der Verhandlungen mehr und mehr Spaß bereitet. Goldkauf als Spiel. Das bekommt ein Facebook-Like (solange es noch erlaubt ist).

160 Geschäfte am Goldsouk warten auf Käufer.
Ich gebe den Verlauf der folgenden zweieinhalb Stunden gerafft und übersetzt wieder und benutze die Währung, die wir auf unseren Jugendreisen stets benutzen, den „Tacken“ (damit lässt sich die Verhandlung, nicht aber der Endpreis nachvollziehen – war ja schließlich ein Geschenk)

Klingeling (Ladenglocke)
Verkäufer: Halle mein Freund, was darf ich zeigen?
Ich: Äh, eine Kette im Schaufenster
Verkäufer (Leuchten in den Augen): Moment, (holt alle Auslagen aus dem Schaufenster). Wir haben diese wunderbares Weißgold und Diamant und diese  
Der größte Goldring der Welt (vermutlich etwa 2 Mrd Tacken)
auch wunderbares Weißgold auch Diamant und diese wunderbareres Weißgold und feinster Diamant und diese
Ich (versuche zu unterbrechen): Diese ist schön!
Verkäufer: das ist die Schönste, es ist wunderbares Weißgold und fantastischer Diamant
Ich (bereite das Feilschen vor): Ja, naja wenn ich sie jetzt so sehe.
Verkäufer: Suchen sie eine Kette, irgendwo auf diesem Markt, die schöner ist als diese.
Ich: hmmf.
Verkäufer: Diese Kette – sie haben großes Glück – heute im absoluten Bestprice.
Ich (sprachlos): hmm
Verkäufer. Sie kostet lediglich 10 000 Tacken
Ich (komplett sprachlos)
Verkäufer: Ganz wunderbarer Preis, oder?
Ich (immer noch sprachlos)
Verkäufer: Wollen Sie sie haben?
Ich: Nunja, ich wollte eigentlich nur gucken.
Verkäufer: Aber Sie wollen sie doch haben?
Ich: Nunja, ich habe nicht so viel Geld, dass ich mir 10 000 Tacken leisten könnte.
Verkäufer: Kein Problem, was würden Sie für diese Kette bezahlen.
Ich (dem es wahnsinnig peinlich ist, nun eine Summe zu nennen, da schon 500 Tacken ziemlich viel Geld sind): Äh, ne Danke ich glaube ich guck nochmal...
Verkäufer: Nennen Sie eine Summe, irgendeine, ist doch egal – wenn ich sie nicht verkaufen will, dann mache ich es nicht. Machen Sie sich den Spaß. Nennen Sie eine Summe.
Ich (peinlich berührt): 1000 Tacken
Verkäufer (atmet tief durch): Hmm, immerhin eine Summe. Sehen sie wir könnten für den Preis eine andere Kette. Keinen Diamanten, kein Gold...
Ich (nun angefixt): ich will aber die, wenn schon.
Verkäufer (ebenfalls angefixt): Ich mache Ihnen einen Spezielpreis (Schreibt 10 000 und 1000 aufs Papier und malt eine Linie dazwischen – bei 6000 treffen sich die beiden Preise). 6000 Tacken. Das ist ein Sensationsangebot – alle hier im Souk würden über mich lachen, dass ich meine Ware fast verschenke.
Ich (muss auch lachen, denn erstens glaube ich das nicht und zweitens wäre die Mitte zwischen 1000 und 10000 rein mathematisch doch wohl 5500 Tacken): Was soll ich sagen, dass ist ein wunderbarer Preis, aber ich habe nunmal nicht so viel Geld.
Verkäufer (guckt mich an wie einen Spielverderber): Nun kommen Sie schon, was ist ihr Beruf?
Ich (Schulleiter zu sagen, kommt mir irgendwie im Rahmen dieser Verhandlungen nicht so schlau vor und ich weiß gerade nicht was Postbote auf Englisch bedeutet): Schlachter!
Verkäufer: Perfekt Sie haben das beste Stück Fleisch der Stadt vor sich liegen. Das würden Sie auch nicht verschenken – welche Tiere schlachten Sie so?
Ich (bedaure schon jetzt meine Lüge in einem muslimischen Land und befürchte ein Gespräch übers Schächten): Ich verkaufe nur noch Wurst (um diesem Gespräch wieder eine andere Wendung zu geben) mache ich ein neues Angebot „2000 Tacken“.
Verkäufer (freut sich, das Spiel geht weiter): Moment ich rufe meinen Chef an (nimmt das Telefon und wählt eine beliebige Tastenkombination) Ja, hier ist einer, der will für diese Goldkette im Schaufenster nur 2000 Tacken zahlen... ja, hmm, ja... ein Deutscher...
ich (muss lachen): Da ist doch gar keiner am Apparat oder?
Verkäufer (empört und legt auf): Mein Chef sagt unmöglich – ich mache seinen Laden arm. Aber weil sie so sympathisch sind, würde er es für 4000 Tacken lassen.
mittlerweile rund eineinhalb Stunden vergangen
Ich (mache die Tür auf und wende mich zum Gehen): zu schade (blättere in meinem Portemonnaie) ich habe einfach nur 2500 Tacken dabei und meine Kreditkarte geht nicht.
Verkäufer (glaubt mir auch kein Wort): Mein Herr, auch wenn mein Chef mich umbringt. Ich habe heute noch nichts verkauft. Notfalls verkaufe ich zum Einkaufspreis. Wovon sollen wir leben? Schauen Sie in mein Verkaufsbuch (zeigt mir das Buch und tatsächlich kein Verkauf heute). Ich verantworte es selbst: 3500 Tacken!
Ich: ICH habe nur 2500 Tacken.
Verkäufer 2, der sich bislang mit Verkäufer drei unterhalten hat, bringt eine Cola (verdammt woher weiß er...)
Ich: Ok, ok – jetzt mal im Ernst. Ich muss gucken um meine Kreditakrte geht 2600
Verkäufer: 3400
ich: 2700
Verkäufer: 3300
Ich (schon längst im Ebay-Syndrom verstrickt: 3,2,1 – Meins! Will es haben, will dieses Spiel gewinnen): 2800
Verkäufer: 3200
Ich (mit Trick sage ich nochmal, aber lauter): Nagut dann 2800
Verkäufer (durchschauts nicht): 3100
Ich (freue mich): 2900
Verkäufer: 3050
Ich (merke diese Verknappung der Schritte im letzten Moment): 2950
Verkäufer (seufzt): 3000!
Meine Hand reicht über den Tresen


Ich habe eine Goldkette mit kleinem Diamanten erworben!

Meine Kreditkarte funktioniert nun tatsächlich in seiner Cash-Maschine nicht und ich suche einen Geldautomaten (Verkäufer zwei begleitet mich, weil alle Angst haben, dass ich abhaue)

Ich bekomme Zertifikat, Visitenkarte und Geschenktüte dazu. Ich bin glücklich und frage noch kurz bevor ich den Laden verlasse: Mal ehrlich – war das ein guter Preis für Dich?

Verkäufer: Sind Sie glücklich mit der Kette?
Ich: Ja!
Verkäufer: Dann sind wir beide glücklich!

Und das gefällt mir! Es ist ein bisschen wie im kleinen Prinzen. Die Kette ist schön und was sie gekostet hat, ist doch irgendwie überhaupt nicht entscheidend. Ich bin glücklich.

Mit diesem Gefühl verlasse ich nicht nur den Laden, sondern auch Asien und fliege am nächsten Morgen in mehr als fünfzehn Stunden auf meinen dritten Kontinent. Hallo Amerika! Willkommen in Kanada!